Fünfzehn Tage dauert das chinesische Neujahrsfest, in der letzten Nacht wird Chap Goh Meh gefeiert. Chinesischer Valentinstag mit einem traditionellen Brauch, für die große Liebe werfen junge Frauen mit Orangen. Dazu enden die Neujahrsfeierlichkeiten mit einem spektakulären Kulturprogramm. “We celebrate Chap Goh Meh with a bang!“ lautet das Motto in George Town.
Zwei Wochen dauern die Festivitäten bereits an. “Löwen” waren in George Town durch Straßen und Häuser getanzt und das Knallen der Böller hatte teilweise bürgerkriegsähnliche Ausmaße. In den Tempeln wurden massenhaft Räucherstäbchen entzündet, der Rauch hatte mir so manches Mal in den Augen gebrannt. Ein Fest mit Speis und Trank und viel Kultur hatte die Menschen auf die Straßen gelockt und sie außerdem beim Heißluftballon-Festival mit bunten Ballons begeistert. Aber nun ist Schluss mit der Feierei. Fast, denn zuvor wird noch Chap Goh Meh, der chinesische Valentinstag, begangen. Und zwar mit einem bang, einem Paukenschlag – so das Motto für den fünfzehnten und letzten Tag der Feierlichkeiten anlässlich des chinesischen Neujahrsfestes.
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Romantische Tradition bei Vollmond
Mehr als 2.000 Jahre reicht die Tradition von Chap Goh Meh (auch Chap Goh Mei geschrieben) zurück. Damals war es für junge Frauen nicht so angesagt, sich frei auf der Straße zu bewegen, was die “Datingmöglichkeiten” stark einschränkte. Die fünfzehnte Nacht des neuen chinesischen Jahres, so die Bedeutung von Chap Goh Meh, war für die Mädels daher die Chance, hinauszugehen, um sich in Parks und an Seen zu treffen. Und zu verlieben, im besten Fall. Für den romantischen Rahmen sorgte der Mond, es war die erste Vollmondnacht nach Lunarkalender, der Zeitrechnung, die sich am Lauf des Mondes orientiert. Außerdem wurden von den Jungfrauen Orangen ins Wasser geworfen, ein Brauch, der ihnen einen guten Ehemann bescheren sollte. Zudem natürlich ein leicht zu deutendes Zeichen: Seht her, ihr Burschen, hier ist jemand solo und auf der Suche!
Chap Goh Meh an historischer Stätte
Um das Werfen von Orangen geht es 2.000 Jahre später nun auch im malaysischen George Town. Vor dem Hintergrund der vielen Einwohner mit chinesischen Wurzeln hat das chinesische Neujahrsfest hier eine besondere Bedeutung und bevor im neuen Jahr endgültig zur Tagesordnung übergangen wird, geht es an historischer Stätte noch einmal zur Sache. Chap Goh Meh wird auf der Esplanade gefeiert, an der Stelle, wo der Gründer von George Town, ein britischer Kapitän, im Jahr 1786 gelandet war. Eine weiträumige Fläche bietet ausreichend Platz für die Zuschauer und das Meer ist nur einen Orangenwurf entfernt, um im Bild des Valentinstags zu bleiben. Und auch für das leibliche Wohl ist gesorgt, Snacks und Getränke werden an diversen Ständen angeboten.
Orangenwurf am Valentinstag
Inzwischen ist das glückbringende Schmeißen mit den Zitrusfrüchten nicht mehr ausschließlich der holden Weiblichkeit vorbehalten. Längst darf jeder werfen, ganz egal zudem, ob jung oder alt, ob verheiratet oder solo. Bevor jedoch die Orangen im Wasser landen, werden sie noch mit guten Wünschen beschriftet. In George Town nun gebührt die Ehre des ersten Wurfs der Prominenz, allen voran Chow Kon Yeow, dem Ministerpräsidenten des Bundesstaates Penang. Anschließend heißt es dann Feuer frei! für alle und auch ich halte irgendwann eine Frucht in der Hand. Eine Leihgabe allerdings nur, eine der Werferinnen hatte mich um ein gemeinsames Foto gebeten.
Übrigens werden die Früchte nicht einfach ziellos ins Wasser geworfen, sondern eine im Meer markierte Stelle muss getroffen werden. Von einem Boot aus wird das Obst dann anschließend wieder herausgefischt. Nachdem ich das Valentinstagsritual ausgiebig beobachtet habe, frage ich mich, ob es sich wohl lohnt, auch das weitere Programm noch zu verfolgen. Bestimmt nämlich würde das Neujahrsereignis jetzt allmählich ausklingen, nur zu verlockend ist nach einem heißen Tag außerdem der Gedanke an ein Kaltgetränk. Einen erfrischenden Gerstensaft wohlgemerkt, denn Bier und andere alkoholische Getränke werden in Malaysia auf öffentlichen Veranstaltungen nicht ausgeschenkt.
Grandioses Showprogramm
Das Tanzensemble Euphoria Penang lässt meine Zweifel jedoch schnell verstummen. Der Bölkstoff wird zunächst “auf Eis gelegt”, dafür starten die Tänzerinnen und Tänzer das Showprogramm von Chap Goh Meh mit einem akrobatischen Feuerwerk aus Farben und Bewegungen. Von seiner multikulturellen Seite zeigt sich George Town danach mit indischem Tanz, gefolgt von einer typisch malaiischen Darbietung sowie schließlich einer chinesischen Performance.
Nachdem zuvor gemeinsam heruntergezählt wurde, wird anschließend ein mächtiges Feuerwerk gezündet. Begleitet von ohrenbetäubendem Geböller illuminiert es minutenlang den Himmel über George Town. Und hüllt die Veranstaltung gleichzeitig in einen feinen Staubnebel. Noch eine halbe Stunde nach Ende des Schauspiels sollten Teile der Feuerwerkskörper vom Himmel regnen. Was für ein Spektakel! War es das jetzt mit Chap Goh Meh? Rabatz und Raketen zum Abschluss? Weit gefehlt, noch immer ist nicht Schluss, der chinesische Valentinstag geht in eine weitere Runde!
Magie und Maskenwechsel
Musik, Tanz und Akrobatik sind charakteristisch für die chinesische Oper. Und auch blitzschnelle Maskenwechsel sind ein Element aus dieser Kunstform, die mit europäischer Operntradition nur wenig gemein hat.
Genau diese Fertigkeit, das Äußere zu verändern, wird nun vom nächsten Künstler demonstriert. Die spannende Frage, anschließend ans Publikum gerichtet: Wie oft mag der Mann die Maskerade wohl gewechselt haben? Einer der Zuschauer weiß die Antwort, achtmal seien es gewesen. Wurde es tatsächlich erkannt oder einfach nur richtig geraten? Wie dem auch sei, auf das wundersame Wechseln der Masken folgen wiederum magische Momente, mit kuriosen Kabinettstückchen zieht ein Zauberer die Leute in seinen Bann. Dinge verschwinden und tauchen wieder auf, werden zusammengefügt und wieder getrennt und am Ende bleibt vor allem eine Frage offen: Was ist mit den Tauben, die der Magier erst hervorzauberte und dann mitsamt Käfig wieder verschwinden ließ? War alles nur eine grandiose Illusion?
Löwentanz zum Abschluss von Chap Goh Meh
Es bleibt nicht aus, irgendwann geht Chap Goh Meh dann doch zu Ende, und zwar noch einmal mit einem traditionellen Ritual. Einem Löwentanz. Bereits in den Tagen zuvor hatte ich diesen Brauch mehrfach beobachten können. Unter lautem Getöse waren Männer in “Löwenhaut” in George Town durch Wohnhäuser, Restaurants und Cafés gezogen, um in Gestalt des grimmigen Königs der Tiere alles Böse zu vertreiben. Wieder haben nun zwei Männer das Löwenkostüm übergestreift und vollführen ihre wilde Darbietung. Sehr synchron und sehr artistisch erklimmen sie eine aus Stangen gebildete Treppe, um sich dort furchterregend in die Höhe zu schrauben. Die Vorstellung beenden sie anschließend auf der Bühne.
Dort also, wo es nun an den charmanten Moderatorinnen ist, das Event zu beenden. Zweisprachig, auf Mandarin, der offiziellen chinesischen Landessprache, sowie auf Englisch, hatten die beiden zuvor durch das Programm geführt. Und weisen nun noch einmal augenzwinkernd darauf hin, dass der Brauch des Orangenwerfens in seinem eigentlichen Sinn natürlich längst ausgedient hat. Abgelöst von moderner Technik, die den jungen Leuten Plattformen wie Facebook, Instagram oder Tinder als Hilfestellung für Kontakt und Dating beschert hat. Damit ist Chap Goh Meh beendet und der chinesische Valentinstag hat dem Neujahrsfest einen würdigen Abschluss gegeben – ohne Zweifel mit einem bang, einem Paukenschlag, ganz so also, wie es ja auch angekündigt war.
Chap Goh Meh in George Town – auf einen Blick
Bevor ein bunter Bilderbogen das Thema abschließt, einige Informationen zu Chap Goh Meh in George Town. Der chinesische Valentinstag findet immer am fünfzehnten Tag des chinesischen Neujahrsfestes statt. Da sich die Festlichkeiten nach dem Stand des Mondes richten, also jedes Jahr an einem anderen Termin. Konkrete Infos (auch zu weiteren Events in George Town und anderswo im malaysischen Bundesstaat Penang) finden sich auf dieser Website, auch die Facebook-Seite Experience Penang gibt Auskunft.
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