Pongal ist einer der wichtigsten Feiertage bei den Tamilen, die in Südindien und Sri Lanka beheimatet sind. Als Auswanderer sind Angehörige dieses Volkes auch in afrikanischen sowie anderen asiatischen Staaten zu Hause. In George Town hatte ich Gelegenheit, die traditionelle Feier zu besuchen – ein indisches Erntedankfest in Malaysia.
Der älteste chinesische Tempel von George Town, Kuan Yin Teng, wurde 1728 von Siedlern errichtet und befindet sich in der Pitt Street, beinahe vis-à-vis von seinem indischen Gegenstück. Wer die Straße überquert, steht im nächsten Augenblick nämlich schon vor dem ältesten Hindu-Tempel der Stadt, dem Sri Mahamariamman Tempel, von dem bunte Götterfiguren und vollbusige Damen herabblicken. Kurze Wege also im malaysischen George Town, von „China“ nach „Indien“ sind es nur wenige Meter. Gern wird ja auch die Phrase vom Schmelztiegel der Kulturen bemüht, spricht man von der alten Seehandelsstadt und ihrer bunten Vielfalt.
Früher jedenfalls muss George Town eine geradezu magische Anziehungskraft ausgeübt haben auf Kaufleute und Handwerker anderer Länder wie auch auf Glücksritter und Piraten. Viele von ihnen blieben und bewahrten sich ihre Eigenheiten und Bräuche. Zahlreiche Feste und Feiertage der verschiedenen Volksgruppen sind bis heute Folge dieses kulturellen Potpourris – für Besucher die Chance, den traditionellen Ritualen hautnah beizuwohnen.
Inhalte
Von Chinatown nach Little India
Geschäfte mit Goldschmuck und glitzerndem Garn, bunten Stoffen und seidenen Saris bestimmen das Straßenbild. In den Restaurants wird Roti, Chapati und Thali, Biryani oder Tandoori Chicken serviert. Bollywood-Musik beschallt das Viertel und der hinduistische Elefantengott Ganesha ist allgegenwärtig. Nein, wir befinden uns nicht irgendwo auf dem indischen Subkontinent, nicht in Mumbai oder Delhi oder anderswo. Little India ist eine Enklave mitten im multikulturellen George Town, Hauptstadt der Insel Penang und der malaysischen Provinz gleichen Namens.
Am Vortag war ich gerade erst eingetroffen und konnte mir bis jetzt nur einen groben Überblick verschaffen, hatte aber erfahren, dass am nächsten Tag Pongal, das indische Erntedankfest, in George Town ansteht. Dieses kulturelle Highlight lasse ich mir natürlich nicht entgehen.
Traditionelle Trachten beim Tamilenfest
Die Frauen sind in farbenfrohe Saris gehüllt und haben dazu ihren schönsten Schmuck angelegt, Armreifen, Ohrringe und Ketten. Viele der Männer tragen das traditionelle Beinkleid, den Veti, ein langes weißes Seiden- oder Baumwolltuch. Das ist der erste Eindruck nach meiner Ankunft auf dem Gelände vom Penang Hindu Endowments Board im Nordwesten von George Town. Was ich zu dem Zeitpunkt noch nicht weiß, einige Tage später werde ich in unmittelbarer Nachbarschaft eine weitere Veranstaltung erleben, das jährliche Heißluftballon-Event.
Während zwei Männer mit ziemlich ernsten Gesichtern musizieren, scheint ein anderer Programmpunkt gerade vorbei zu sein. Zwei Ochsenkarren kreuzen meinen Weg, gemächlich trotten die massigen Tiere dem Feierabend entgegen. Zu den Pongal-Bräuchen gehört nämlich auch, Kühen und Büffeln für ihre Dienste zu danken. In Indien, dem Ursprungsland, nennen sie das Manju Virattu, dort werden die Tiere durch die Straßen getrieben und auch weitere wilde Rituale gehören dazu. Die jedoch ähneln eher spanischem Stierkampf als dem, was man sich eigentlich unter einem “Dankeschön” vorstellt.
In George Town jedenfalls geht es friedlich zu und die Ochsen haben nichts auszustehen. Wenn man davon absieht, dass sie den Tieren Glöckchen umgehängt und die Hörner angemalt haben.
Überkochender Reis als Glücksbringer
Die Frauen haben sich um Feuerstellen versammelt, wo in den Töpfen Milch mit Reis köchelt. Wichtig ist dabei das Überkochen, es soll Glück bringen und ist ein Zeichen des Überflusses, ein Symbol für eine erfolgreiche Ernte. Außerdem werden kunstvolle symmetrische Figuren auf den Boden gezeichnet, es handelt sich um bunte Kolams aus gefärbtem Reismehl, ebenfalls ein glückbringender Brauch, der traditionell von Frauen ausgeübt wird.
Inzwischen sind weitere Gäste eingetroffen, darunter auch der stellvertretende Ministerpräsident des Bundesstaates. Und auch ein paar warme Worte dürfen bei solch einer festlichen Gelegenheit natürlich nicht fehlen, Professor Ramasamy, erster Amtsinhaber indischer Abstammung übrigens, spricht Englisch, nicht Tamil, wie man vielleicht erwarten würde, so kann auch ich der Ansprache folgen. Um die Armen solle man sich kümmern, lautet der Appell des Vizeregierungschefs von Penang. Sicher nicht ohne Grund, denn die Inder, drittgrößte Bevölkerungsgruppe nach Malaien und Chinesen, gelten als benachteiligt und religiös ausgegrenzt. Eine Ungleichheit, die dazu beiträgt, dass viele der indischstämmigen Malaysier in Armut leben.
Kabadi, die sportliche Seite des Pongal-Festes
“It is more blessed to give than to receive” ist eigentlich eine Anleihe aus der Bibel und das letzte, was ich aus dem Mund des Politikers Ramasamy höre. Mit diesem Plädoyer für Großzügigkeit im Ohr wende ich mich der Wiese nebenan zu, wo inzwischen sportliche Aktivitäten begonnen haben. Kabadi ist ein mehrere tausend Jahre alter Mannschaftssport und fester Bestandteil indischer Kultur, aber auch in Nepal und Bangladesch Nationalsport. Das charakteristische dabei ist, dass weder Ball, noch anderes Spielgerät zum Einsatz kommt.
Kabadi ist ein körperbetontes Spiel, der jeweilige Angreifer einer Mannschaft, Raider genannt, muss versuchen, gegnerische Spieler abzuschlagen und dabei die Luft anhalten. Er darf von den Gegnern aber auch gefangen werden, was in kleine Raufereien ausartet, die meist mit Hechtsprüngen oder Rempeleien beginnen. Das ganze zur Freude der jungen Damen, die am Spielfeldrand das sportliche Treiben mit sichtlichem Wohlgefallen verfolgen.
Erntedank mit großem Regen
Gerade hat der Schlusspfiff dem sportlichen Eifer der flinken Burschen ein Ende gesetzt, als plötzlich der große Regen einsetzt. Eben hatte mir einer der Männer noch erklärt, dass es bei Pongal auch um die Sonne als Symbol des Lebens gehe, überkochender Reis und frische Früchte dienen der Verehrung des Sonnengottes Surya. Und nun, quasi wie auf Knopfdruck, scheint also auch Indra, der Gott des Regens, sein Recht zu verlangen.
Ich unterschätze den dichten tropischen Regen. Der Baum, bei dem ich Zuflucht suche, bietet nur unzureichend Schutz, so dass ich bald klitschnass bin und Mühe habe, die Kamera halbwegs trocken zu halten. Ein Guss zum Schluss, denn das Erntedankfest ist nun vorbei. Fast jedenfalls, ein gemeinsames Essen steht noch an und mehrfach bittet man auch mich, daran teilzunehmen. Doch tropft das Wasser mittlerweile von meinen Klamotten, es ist nicht der passende Aufzug, um festlich mit den Leuten zu speisen, ich ziehe es daher vor, den Rückweg anzutreten.
Bald schon werde ich weitere Feiern in George Town erleben. Als nächstes an der Reihe ist eine andere Volksgruppe, das fünfzehntägige Chinesische Neujahrsfest steht bevor, inklusive Chap Goh Meh, dem chinesischen Valentinstag. Aber auch das indische Essen werde ich nachholen. Mehr als einmal wird es schmackhaftes Tandoori Chicken geben und auch leckerer Mango-Lassi darf dabei natürlich nicht fehlen. Es sind schließlich nur wenige Meter von Chinatown, wo ich abgestiegen bin, nach Little India, kurze Wege von “China” nach “Indien” in George Town.
Pongal auf einen Blick
Eine Galerie mit weiteren Fotos schließt das Thema ab, zuvor die wesentlichen Infos zum indischen Erntedankfest in George Town:
- Das ursprünglich viertägige Fest findet in George Town an einem Tag statt. Auskunft zum Termin gibt die Website des Penang Hindu Endowments Board (auch bei Facebook zu finden)
- Veranstaltungsort: Gelände des Penang Hindu Endowments Board, 225, 221, Jalan Macalister, George Town
- Infos zu diesen und weiteren Veranstaltungen liefert außerdem Penang Global Tourism (Facebook)
0 Kommentare zu “Kultur-Highlight in George Town: Pongal, ein indisches Erntedankfest”