Bei der Nennung weltweiter Hotspots für die Beobachtung von Walen ist Thailand meist nicht vorn mit dabei. Und das, obwohl in den dortigen Gewässern mehr als 20 Arten, inklusive Delfine, zu finden sind. Vor den Toren der thailändischen Hauptstadt habe ich mich auf die Spuren des weniger bekannten Brydewals begeben – Whale Watching vor der Küste von Bangkok.
Shrimps liegen auf der Straße, zum Trocknen auf einer Plane ausgebreitet. Neugierig streunen ein paar Hunde herum, einige Katzen schleichen vorbei. Sorgfältig platziert eine Frau kleine Fische auf einem Gitter, auch sie sollen in der Sonne trocknen, eine ganze Weile schaue ich ihr bei der Arbeit zu. Es sind die Eindrücke des frühen Morgens in einem Fischerdorf an der Küste vor Bangkok.
Während sich in der rund eine Autostunde entfernten Hauptstadt Blechlawinen durch die Straßen schieben, für Lärm, Abgase und Verkehrschaos sorgen, findet sich hier an der “Waterkant” der entspannte Gegenentwurf zum quirligen Treiben auf Bangkoks Straßen. Der “Name” des Ortes im Unterbezirk Pantai Norasing, Landkreis Mueang Samut Sakhon: Village No. 8.
Inhalte
- 1 Frühmorgens im Fischerdorf Nr. 8
- 2 Wale in Thailand
- 3 Verhalten der Brydewale
- 4 Kleines Futter für große Tiere
- 5 Wal in Sicht!
- 6 Tropische Gewässer bevorzugt
- 7 Walbeobachtung im Golf, ein voller Erfolg
- 8 Mittagspause auf See
- 9 Phra Klang Nam, Buddha-Pavillon im Meer
- 10 Whale Watching vor Bangkok, ein Insidertipp
- 11 Walbeobachtung in Thailand: Infos
Frühmorgens im Fischerdorf Nr. 8
Am Hafen hockt stoisch ein schneeweißer Seidenreiher, der schwarze Schnabel, die langen Beine gleicher Farbe sowie seine gelben Füße machen ihn leicht erkennbar. Einige Thailänderinnen und Thailänder vertreiben sich derweil die Wartezeit auf für sie typische Weise: Sie stärken sich mit einem Imbiss – Thai Food als Vorbereitung auf das bevorstehende Whale-Watching-Abenteuer.
Treffpunkt für die Exkursion in den Golf von Thailand ist passenderweise ein Restaurant. Unmittelbar am Pier gelegen, von dem später zwei Boote in See stechen werden, um die Meeressäuger aufzuspüren. Noch aber ist etwas Zeit, bevor der Ausflug beginnt und ich nutze die Gelegenheit, um ein wenig die Stimmung einzufangen. Vom Fischerdorf mit der Nummer 8 und seiner Umgebung.
Kalifornien, Hawaii oder die Dominikanische Republik sind oft dabei, wenn es um die besten Orte für Whale Watching geht. Kanada, Südafrika oder Mexiko ebenfalls. Auch Australien und Neuseeland werden genannt. Aber Thailand? Das “Land des Lächelns” bleibt in der Regel außen vor.
Wale in Thailand
Thailands Küste erstreckt sich über eine Länge von mehr als 3.200 Kilometern. Während der untere Teil des Landes im Westen an die Andamanensee, also den Indischen Ozean, grenzt, ist es im Osten das zum Pazifik gehörende Südchinesische Meer mit dem Golf von Thailand. Ganz schön viel Wasser also, jede Menge Lebensraum für die unterschiedlichsten Meeresbewohner.
Kurz vor acht geht es an Bord und bald darauf heißt es auch schon: Leinen los! Hinaus in den Golf, hinein in das Wohnzimmer der Meeresgiganten. Ob wohl auch jemand zu Hause sein wird? Natürlich bin ich mächtig gespannt, denn mein bislang einziger Versuch, Wale zu beobachten, seinerzeit auf den Azoren, war nicht von Erfolg gekrönt. Wird es diesmal anders sein?
Verhalten der Brydewale
Elegant gleitet der blau-graue Körper durch die Fluten, auffällig ist die sichelförmige Rückenflosse, die aus dem Wasser ragt. Nein, noch handelt es sich nicht um die sehnlich erhoffte erste Walsichtung, noch ist es Theorie! Die Fotos, die uns präsentiert werden, sind Teil des morgendlichen Briefings, einer Lektion darüber, was wir draußen auf See möglicherweise zu sehen bekommen.
Tour ist der Wal-Experte an Bord. “Tour wie Tourist” stellt er sich vor und zeigt der Reihe nach die unterschiedlichen Verhaltensformen des Brydewals beim Auftauchen an die Wasseroberfläche. Eines der charakteristischen Bilder ist die meterhohe Fontäne, die beim Ausatmen der Tiere entsteht, die Luft ist dabei mit Flüssigkeit gesättigt. Als Blas wird dieser Luftausstoß auch bezeichnet.
Kleines Futter für große Tiere
Der Brydewal filtert seine Nahrung, vorzugsweise handelt es sich um kleine Fische und Krebse, aus dem Wasser. Furchen erstrecken sich von seiner Kehle bis zum Bauch und dank dieser Falten ist es den Tieren möglich, das Maul für den Fressvorgang weit aufzureissen. Zähne besitzen die Säuger nicht, stattdessen ist der Oberkiefer mit langen Barten ausgestattet, feingefiederten Hornplatten, die wie ein Sieb wirken.
Ebenfalls eine typische Verhaltensweise der Wale ist das Schlagen der Schwanzflosse – ein sehr fotogener Moment, genau wie die letzte Pose. Dieser Auftritt, nämlich das akrobatisch anmutende Springen aus dem Wasser, Breaching ist der englische Fachbegriff, ist jedoch eher selten zu beobachten, wie wir erfahren.
Wal in Sicht!
“Make some good photos!”, ihren Ansporn verbindet meine Mitpassagierin mit der Frage, warum ich nicht hoch aufs obere Deck gehe. Ohne großes Nachdenken hatte ich mir zuvor einen Platz am Bug des Bootes gesichert, hatte dies als beste Position ausgemacht, um das erste Auftauchen eines Wales bloß nicht zu verpassen. Doch die Frau hat recht, natürlich, und ich greife ihre Anregung sogleich auf, mache mich schnurstracks auf den Weg nach oben.
Noch während ich die Leiter erklimme, ertönen laute Rufe und mein Blick erhascht sofort den Grund. Auf der Backbordseite, linker Hand also, ist das weit geöffnete Maul eines Brydewals zu sehen. Ganz so, wie auf den Bildern kurz zuvor. Sofort jucken die Finger, aber die Vernunft siegt, schweren Herzens verzichte ich auf den ersten Einsatz der Kamera an der Walfront. An der Leiter hängend, mich mit einer Hand festhaltend und unter mir das schwankende Boot, so macht das keinen Sinn!
Tropische Gewässer bevorzugt
Etwa 40.000 bis 80.000 Brydewale gibt es weltweit. Nur diese grobe Schätzung sei möglich, denn die Tiere sind schwer aufzuspüren, heißt es. National Geographic bezeichnet sie gar als Phantom der Meere. Mit einer Länge von bis zu 15 Metern gehört der Brydewal eher zu den kleineren Vertretern innerhalb der verschiedenen Populationen. Zum Vergleich: Der Blauwal wird fast doppelt so lang, der ist aber auch das größte Tier, das jemals auf unserem Planeten gelebt hat. Benannt wurde der Brydewal übrigens nach dem Norweger Johan Bryde. Die Aussprache lautet daher “Brüde”. Damit haben Thailänder allerdings Schwierigkeiten, die sagen stattdessen “Brude”, der letzte Buchstabe wird in beiden Fällen eher verschluckt.
Brydewale haben eine Vorliebe für Wärme, tropische Gewässer sind ihr Revier. Kein Wunder also, dass einige von ihnen sich in thailändischen Meeren geradezu “pudelwohl” fühlen.
Walbeobachtung im Golf, ein voller Erfolg
An Bord des Bootes komme ich inzwischen in den Genuss des Ausblicks von ganz oben. Und hoffe natürlich, dass es nicht bei der von mir verpassten ersten Sichtung bleibt. Aber meine Sorge ist unbegründet, es geht jetzt Schlag auf Schlag. Tour, der Wal-Fachmann, und sein Skipper haben den richtigen Riecher, präzise lenken sie das Boot dorthin, wo “Wal-Action” zu vermuten ist.
Immer wieder gleitet ein Brydewal vorbei, schiebt sich ein grauer Rücken mit der markanten Flosse durch die Fluten. Oder es zeigt sich die sperrangelweit geöffnete Schnute eines Tieres, sekundenlang so verharrend, um den Hunger zu stillen. Der Blas ist ebenso zu beobachten, das Gemisch aus Luft und Wasser – explosionsartig wird der Walschnodder ausgestoßen. Begleitet werden die Aktivitäten der Meeressäuger von Möwenschwärmen, gefährlich dicht operieren die Vögel vorzugsweise um das geöffnete Walmaul herum, um dort einen Teil der Beute zu ergattern.
Die Zeit vergeht wie im Flug, Bildserie um Bildserie füllt die Speicherkarte und auch der erste Akku hat seine Schuldigkeit bereits getan. Dann ist Mittagspause an Bord, Zeit für einen Imbiss und ich lümmle mich in einen der bunten Liegestühle, die nun ihren Zweck erfüllen.
Die Spannung löst sich, nach dem Essen schließe ich die Augen und gebe mich süßem Nichtstun hin. Jetzt ein kühles Bier und dann einfach nur noch gepflegt abhängen auf dem stetig schwankenden Boot, das wärs! Plötzlich jedoch ist Schluss mit der verheißungsvollen Träumerei, das Unternehmen ist schließlich noch nicht zu Ende. Erneut nimmt das Boot Fahrt auf, geradewegs dorthin, wo die Wale noch immer unermüdlich mit Futterbeschaffung beschäftigt sind.
Flugs nehme ich meine Position wieder ein, schnell ist die nötige Konzentration wieder da. Abermals sind die Kameras gen Ozean gerichtet, bereit für das Foto des Tages. Die Brydewale lassen sich nicht lange bitten, zeigen die inzwischen bestens bekannten Posen, auch die Schwanzflosse wird das eine oder andere Mal präsentiert. Nur das Breaching, das spektakuläre Springen aus dem Wasser, bleiben uns die Säuger schuldig. Schade zwar, aber wir sind ja vorbereitet, wissen, dass mit diesem Schauspiel nicht unbedingt zu rechnen war.
Phra Klang Nam, Buddha-Pavillon im Meer
Am fernen Horizont erscheint klitzeklein die Skyline von Bangkok. Das Boot hat gedreht, es geht zurück Richtung Heimathafen. Vor der Küste ist im Vorbeifahren noch eine ganz spezielle Attraktion zu bestaunen – ein Pavillon mitten im Meer, im Inneren befindet sich eine Buddha-Statue. Ursprünglich als Aussichtspunkt für Fischer genutzt, ist der Phra Klang Nam mittlerweile eher ein Touristenziel, eine Sehenswürdigkeit, die nur mit dem Boot zu erreichen ist.
Whale Watching vor Bangkok, ein Insidertipp
Zurück im Fischerdorf Nr. 8 ist noch etwas Zeit, bevor es zurück nach Bangkok geht. Erneut erforsche ich die Umgebung und diesmal entdecke ich in einem nahen Teich mehrere Schlammspringer. Bei diesen kuriosen Tieren handelt sich um Fische, die am liebsten an Land leben, erstmals hatte ich sie bei den Seenomaden auf Koh Phra Thong gesehen.
Rundum zufrieden mit dem Ergebnis der Expedition zu den Brydewalen, sitze ich anschließend im Taxi, das mich zurück in die Hauptstadt bringt. Ebenfalls zufrieden zeigt sich Mister Manoto, mein Fahrer. Der nämlich hatte sich, anstatt zurückzukehren, nachdem er mich morgens am Pier abgeliefert hatte, einen entspannten Tag an der Küste gemacht. Im Auto habe er geschlafen, berichtet er schmunzelnd, bevor er sich nach dem Ergebnis der Whale-Watching-Unternehmung erkundigt.
Festzuhalten bleibt, Walbeobachtung in Thailand ist etwas für Spezialisten, für Insider, und beinahe noch so etwas wie ein “Geheimtipp”. Denn welcher Thailand-Urlauber käme in Bangkok schon auf den Gedanken, sich von hier aus auf die Suche nach den Meeressäugern zu machen? Wo die thailändische Hauptstadt doch mit ganz anderen Attraktionen lockt. Mit Malls und Märkten, mit Tempeln und Palästen, mit Street Food und Rotlichtvierteln. Und mit vielem anderen mehr. Und was Tiere betrifft, so wird man bei Bangkok ganz sicher eher an Warane denken als an Wale.
Walbeobachtung in Thailand: Infos
Wer sich für Wale im Golf von Thailand interessiert und an einer Whale-Watching-Expedition teilnehmen möchte, ist bei Jirayu Ekkul (“Tour”) an der richtigen Adresse. Infos und Kontakt über die Facebook-Seiten Wild Encounter Thailand und Jirayu Ekkul Wildlife Photography.
Weitere Hintergrundinfos zum Thema Wale in Thailand gibt es (auf Englisch) bei Khao Lak Explorer.
Unter dem Titel Warnstufe Rot findet sich eine interessante Quelle mit einem weltweiten Überblick zum Thema Gefährdung und Schutz von Walen.
Tolle Eindrücke,
auf die Idee Wale in Thailand zu beobachten bin ich tatsächlich noch nicht gekommen 🙂
Liebe Grüße aus Bangkok
Isabel
Hallo Wolfgang,
stimmt, Thailand wäre mir für eine Walbeobachtung nicht eingefangen. Tolle Fotos hast du gemacht. Es ist ja nicht so einfach, zu staunen und gleichzeitig zu fotografieren. Manchmal hat man gerade noch ein Bild der Schwanzflosse gemacht. Was für ein riesiges Maul der Brydewal hat! Herzlichen Dank für den Tipp.
Liebe Grüße vom Rhein
Renate
Hallo,
mich hat das auch sehr überrascht mit den Walen in Thailand. Und noch mehr hat es mich überrascht, dass das von Bangkok aus machbar ist. Beim nächsten Besuch steht das auf dem Programm. Dein Bericht hat diese Lust bei mir erzeugt.
Liebe Grüße
Thomas
Hallo Wolfgang,
das klingt ja spannend. Wir sind große Walfans, waren schon mehrmals auf den Azoren zum Whale-Watching. Aber Thailand? Das hatten wir nicht auf dem Schirm bislang. Werden wir mal in Angriff nehmen, wenn wir unseren Freund in Ranong das nächste Mal besuchen. Viele Grüße von Gabi und Michael