In Trinidad, einer der ältesten Städte Kubas, erinnert noch vieles an die Blütezeit im 18. und 19. Jahrhundert. Zuckerrohr, Tabakanbau und Viehzucht bildeten damals die Basis für einen unermesslichen Reichtum. Und auch der Sklavenhandel hat eine wesentliche Rolle gespielt. Inzwischen gilt Trinidad als eine der besterhaltenen Kolonialstädte im karibischen Raum und gehört seit 1988 zum UNESCO Weltkulturerbe. Was würde mich an einem der beliebtesten Reiseziele Kubas erwarten? Ein koloniales Juwel oder vor allem Touristenzirkus?
Langsam rollt der Viazul-Bus in den Hof des Busbahnhofs von Trinidad, während sich draußen bereits ein Empfangskomitee eingefunden hat. Die Blicke der Wartenden, die mich durch die Fensterscheibe ins Visier nehmen, wirken fest entschlossen. Ich muss lachen, was die Herrschaften draußen natürlich völlig falsch verstehen. In meinem Kopf läuft bereits ein Film ab: die Szene, wenn ich gleich aus dem Bus steige. Ich muss noch mehr lachen.
Überhaupt nichts zu lachen hatten die Sklaven damals im 18. und 19. Jahrhundert. Denn auf ihrem Blut und Schweiß gründete sich schließlich der Reichtum der hiesigen Zuckerbarone, für die tausende Leibeigene auf Feldern und in Zuckermühlen schufteten. Vor allem östlich von Trinidad, im Valle de Ingenios, dem Tal der Zuckermühlen. Das eigentlich aus Südostasien stammende Zuckerrohr hatten die Spanier, sie waren ursprünglich auf der Suche nach Gold, von den Kanarischen Inseln eingeführt, die Sklaven aus Westafrika.
Inhalte
Begrüßung durch Jineteros
Hände werden mir entgegengestreckt. Sie halten abgegriffene Dokumente, Fotos und Visitenkarten. Um Casas Particulares geht es dabei, private Unterkünfte, die an den Mann oder an die Frau gebracht werden wollen. Von den Eigentümern etwa? Oder sind es eher Jineteros, also Schlepper, die auf der Jagd nach einer Provision sind? Aber wer um alles in der Welt lässt sich auf so etwas ein? Auf eine solch dubiose Zimmervermittlung zwischen Tür und Angel? Man müsste mit dem Klammerbeutel gepudert sein, zumal nun wahrhaftig kein Mangel an Unterkünften besteht, hunderte Casas Particulares stehen nämlich in Trinidad zur Verfügung.
“Tranquillo” rufe ich meinen neuen Freunden zu und bahne mir energisch einen Weg durch das feiste Gedränge, das vor dem Bus herrscht. Die Leute sind aber hartnäckig, sie geben kaum einen Meter preis. Ein paar Meter laufe ich, schlage ein, zwei Haken, dann ist es endlich geschafft: die Quälgeister sind abgeschüttelt! Ein Blick zurück offenbart enttäuschte Gesichter und für mich heißt es jetzt endgültig: bienvenidos! Willkommen in Trinidad! Meine Suche nach einer Bleibe weitet sich anschließend zu einem ersten Rundgang durch die Altstadt Trinidads aus. Farbenfrohe Häuser, mit roten Ziegeln bedeckte Dächer und Kopfsteinpflaster prägen das Bild. Durch viele der Fenster und Türen sind Glas, Porzellan, Kronleuchter und Antiquitäten zu sehen. Erinnerungen an die Dekadenz vergangener Zeiten.
Plaza Mayor, Trinidads Herz
Elegante Gebäude umsäumen die Plaza Mayor. Museen, in denen sich die Pracht vergangener Tage bestaunen lässt, dazu die Iglesia de la Santísima Trinidad. Die Kirche ist, zusammen mit dem barocken Turm des Convento de San Francisco de Asis, Motiv vieler Fotos, so auch des Titelbildes zu diesem Bericht. Noch ist es ruhig im Herzen von Trinidad. Bald aber wird sich das ändern, wenn die Touristen die Treppe vor der Casa de la Música bevölkern und geschäftstüchtige Menschen Mojito und andere Cocktails aus den anliegenden Geschäften reichen. Happy Hour heißt es dann, man hat gelernt, sich auf die gewinnbringenden Bedürfnisse der Touristen einzustellen.
Mitte des 19. Jahrhunderts war es vorbei mit der Herrlichkeit in Trinidad. Zuvor war Kuba noch zum weltgrößten Zuckerproduzenten aufgestiegen, 14.000 Zuckerrohrplantagen zählte man und fast 900.000 Menschen waren aus Afrika versklavt worden. Dann jedoch sorgten der Kampf um die Unabhängigkeit des Landes und die Abschaffung der Sklaverei für ein jähes Ende des Booms, während im fernen Europa gleichzeitig vermehrt Zuckerrüben angebaut wurden. Die ursprünglich so fruchtbare Erde im Valle de los Ingenios erreichte zudem die Grenzen ihrer Ertragsfähigkeit, andere Regionen in Kuba hatten Trinidad inzwischen längst den Rang abgelaufen.
Abseits des Trubels, der inzwischen rund um die Plaza Mayor herrscht, lande ich am Abend im Restaurant Sol & Son. Es geht zunächst durch einen mit Antiquitäten ausgestatteten Bereich und im angrenzenden Schlafzimmer scheint das große Bett zum Nickerchen im Anschluss an ein ausgiebiges Mahl einzuladen. Wobei man dann allerdings quasi im Schaufenster läge, Big Brother lässt grüßen. Im Innenhof sorgen das Plätschern eines Springbrunnens und Livemusik für eine stimmungsvolle Atmosphäre. Und bald sind hier auch alle Plätze besetzt, auf manchen der Tische liegen dicke Wälzer. Denn nicht alle Gäste scheint der Zufall hierhergeführt zu haben, bei manchen hat das offensichtlich der Reiseführer übernommen, um den es sich dabei handelt.
Von Trinidad zur Playa La Boca
Am nächsten Tag lasse ich die Altstadt hinter mir und erkunde den restlichen Teil Trinidads. Am Stadtrand weist ein Schild den Weg zur Playa La Boca, da wollte ich sowieso noch hin, warum also nicht gleich? Unterwegs brennt mir die Sonne gehörig auf den Schädel, so können 4 km ziemlich lang sein. Die Kubaner wissen, warum sie sich oft mit einem Schirm als Sonnenschutz bewaffnen. Hier, auf der Straße Richtung Meer, wo ich der einzige bin, der zu Fuß unterwegs ist, könnte ich einen solchen jetzt gut gebrauchen.
La Boca erweist sich als ruhiges Fischerdorf mit einem kurzen Strandabschnitt und ansonsten steiniger Küste. Es gibt einige Casas Particulares sowie zwei Hotels direkt an der schmalen Uferstraße. Außerdem einen Kiosk, direkt dort, wo die Straße auf die Küste trifft. Der junge Mann, der hier arbeitet, freut sich über Gesellschaft. Und ich mich über ein durstlöschendes kaltes Bier.
Che Guevaras Rache
Am nächsten Tag bin ich krank. Trinidad hat daran jedoch keine Schuld, denn das könnte überall passieren. Schüttelfrost und Fieber legen sich erst, als der Körper beginnt, sich von allem Übel zu entledigen. Bis Ruhe und Schlaf Wirkung zeigen, liege ich lange wach und lausche den Geräuschen der Nacht, der Musik über den Dächern von Trinidad. Compay Segundos “Chan Chan” ist herauszuhören, bekannt vom Buena Vista Social Club. Und auch “Guantanamera” darf nicht fehlen. Zu später Stunde werden die Töne dann auf einmal ziemlich schräg. Es ist das Gegröle Betrunkener. Karaōke als Kontrastprogramm zu Salsa und Son. Nach zwei Tagen ist “Che Guevaras Rache” dann endgültig überstanden. So nämlich habe ich meine Unpässlichkeit getauft, denn Montezuma gehört ja nicht nach Kuba. Der Aztekenherrscher, den man sonst auch gern in diesem Zusammenhang heranzieht.
Die Playa Ancón gilt als schönster Strand an der Südküste Kubas. Dorthin wollte ich ursprünglich mit dem Fahrrad. Und auch dem Valle de los Ingenios hatte ich einen Besuch abstatten wollen. Dort, wo Zuckermühlen und Sklavenunterkünfte noch immer zu besichtigen sind. Stattdessen streife ich am letzten Tag noch einmal durch die Gassen des Centro Histórico. Wo bereits mittags Musikanten mit “Guantanamera” für “authentische” Atmosphäre sorgen. Wo aus den Fenstern Zigarren angeboten werden. Und wo gelegentlich kubanische Cowboys auf ihren Pferden um die Ecke biegen. Am Abend suche ich wieder das Sol & Son auf, so wie am ersten Tag. Reichlich Knoblauch im Essen und Rum im Mojito sollten geeignet sein, den letzten Spuren von Che Guevaras Rache den Garaus zu machen.
Am nächsten Morgen geht es wieder zum Busbahnhof. Es war nicht möglich gewesen, im Voraus ein Ticket zu kaufen. Jedoch hatte man mich tags zuvor bei Viazul auf eine Liste gesetzt. So hatte ich den letzten Platz im Bus nach Sancti Spíritus ergattern können.
Koloniales Juwel oder Touristenzirkus?
Handwerksbetriebe, Einzelhändler und bestimmte Dienstleister dürfen seit 2010 in Kuba auf eigene Rechnung arbeiten. In Trinidads Altstadt wird davon reichlich Gebrauch gemacht, eine Vielzahl privater Unterkünfte sowie privat geführter Restaurants, Paladares, ist die Folge. Schnell hat man erkannt, welche Chancen der Tourismus bietet, er verhilft Trinidad noch einmal zu neuer Blüte.
Mit dem historischen Vermächtnis der Kolonialgeschichte ist man bisher sorgsam umgegangen. Jedoch bleibt abzuwarten, wohin die weitere Entwicklung geht. Dann, wenn möglicherweise noch mehr Touristen nach Trinidad kommen. Aktuell ist die Stadt jedenfalls vor allem eines: ein großes Freilichtmuseum, das seine Besucher zu einer Reise in die Vergangenheit einlädt. Und bei der man dem Touristenzirkus, der vor allem rund um die Plaza Mayor stattfindet, bisher noch aus dem Weg gehen kann.
Ich war 2011 in Trinidad und fand die Stadt damals sehr beschaulich. Ein lustiges Erlebnis hatten wir in einem Restaurant. Wir nahmen auf der Terrasse Platz, eine dreiköpfige Band begann zu spielen. Die Band drehte sich immer wieder in alle Richtungen, damit alle am Klangerlebnis teilhaben konnten. Als ich wenig später das Restaurant betrat, musste ich lachen. Es war komplett leer. Die Band hatte vor leeren Kulissen gespielt, wir waren die einzigen Gäste…
😀
Beschauliche Ecken finden sich immer noch, keine Frage. Ich vermute aber, dass inzwischen an der einen oder anderen Stelle etwas mehr los ist. Auf der Plaza Mayor zum Beispiel (oder da, wo sie nachts Karaōke veranstalten) … 😉
Trinidad lag auch auf meiner Reiseroute (bei wem nicht?). Ja, die Stadt hebt sich vom Baustil von den anderen Städten eindeutig ab und hat einen besonderen Charme. Aber gleichzeitig habe ich Trinidad auch als eine der “wuseligsten” Städte empfunden. Sehr viele Touristen auf engstem Raum. Gleichzeitig empfand ich Trinidad abseits des Stadtzentrums als sehr beschaulich und bodenständig.
Ja, Trinidad ist für Kuba sicher einzigartig. Bestimmte Ecken sollte man halt besser meiden, wenn man nicht so auf Touristenzirkus in diesem Freilichtmuseum steht … 😉
Hallo Wolfgang!
Ich fands auch ziemlich schlimm, was sich da in Trinidad abspielt. Auf der Plaza Mayor meinte meine Freundin zu mir, wir könnten gerade genausogut in einem Vergnügungspark im Kuba-Stil in Florida sein. Kein einziger Einheimischer weit und breit (außer die, die für Fotos posieren), nur europäische und kanadische Rentner… 😉
Aber ich fand’s trotzdem schön und bin fast eine Woche geblieben. Rein von der Architektur her gibt’s ja hunderte solcher Kolonialstädte in Lateinamerika, aber dass in Trinidad noch so viele Kutschen unterwegs sind ist schon einmalig! 🙂
LG Steffi