Songkran, das traditionelle Neujahrsfest, gehört zu den wichtigen buddhistischen Feiertagen in Thailand. Im Jahr zuvor war alles noch der Pandemie-Bekämpfung untergeordnet. Es herrschte strikter Lockdown und das thailändische Wasserfest fand nicht statt. 2021 beschränken sich die Aktivitäten an den Songkran-Feiertagen auf traditionelle Bräuche, in Khon Kaen bin ich Zeuge.
Ein heißer Tag kündigt sich an im Isan, dem Nordosten Thailands, im späteren Verlauf drohen böige Winde und Gewitter. Nicht ungewöhnlich für Mitte April – noch ist zwar Sommer, doch schon bald beginnt die Regenzeit. In der Provinzhauptstadt Khon Kaen, rund 450 Kilometer nordöstlich von Bangkok, starte ich zeitig in den ersten Songkran-Tag. Schon zwei Jahre zuvor hatte sich frühes Aufstehen ausgezahlt, in Phuket Town konnte ich so einer zentralen morgendlichen Tak-Bat-Zeremonie beiwohnen. Mit diesem Ritual, der Almosengabe an buddhistische Mönche, war dort das thailändische Neujahrsfest eingeläutet worden (Lesetipp: Songkran in Phuket: Traditionelle Bräuche und wilde Wasserschlachten). Wird es hier nun ähnlich sein? Was wird mich in Khon Kaen erwarten?
Inhalte
- 1 Dreifacher Jahreswechsel in Thailand
- 2 Rituelle Vogelfreilassung am frühen Morgen
- 3 Song Nam Phra: Wasserguss für Buddha-Statuen
- 4 Ehrung der Verstorbenen
- 5 Zweiter Songkran-Tag in Khon Khaen
- 6 Aufräumen am Tag danach
- 7 Songkran: Würdigung als bedeutendes Festival
- 8 Thailändisches Neujahrsfest nach der Pandemie
- 9 Hinweis
Dreifacher Jahreswechsel in Thailand
Gleich dreimal kann man in Thailand einen Jahreswechsel erleben. So wird auch im “Land of Smiles” die Silvesternacht nach westlicher Tradition festlich begangen, insbesondere in der Hauptstadt Bangkok ist spektakuläres Feuerwerk zu bestaunen. Vor allem aber das chinesische Neujahrsfest, dessen wechselnder Termin sich nach dem Mondkalender richtet, hat eine große Bedeutung. Kein Wunder, ein großer Teil der Thailänderinnen und Thailänder hat schließlich chinesische Wurzeln.
Songkran ist somit die dritte Festivität im Bunde. Das traditionelle Neujahrsfest findet jedes Jahr vom 13. bis 15. April statt (regionale Abweichungen sind teilweise zu berücksichtigen) und gehört zu den wichtigsten Feiertagen in Thailand. Bekannt ist das Ereignis für wilde Wasserschlachten, an denen sich ausländische Touristen gern beteiligen, etwa in Bangkoks populärer Khao San Road. Ein Spektakel, das allerdings kaum etwas mit den ursprünglichen Bräuchen zu tun hat. Ausschließlich um diese traditionellen Rituale geht es nun 2021 – notgedrungen, denn exzessives Wasserspritzen ist nicht erlaubt, dafür sorgt Corona. Seit Anfang April sucht eine dritte Welle auch Thailand heim, die Pandemie macht ausgelassener Feierei in den Straßen wiederum einen Strich durch die Rechnung, zurück zu den Ursprüngen heißt es stattdessen.
Rituelle Vogelfreilassung am frühen Morgen
Der Wat Nong Waeng gehört zu den interessantesten Sehenswürdigkeiten von Khon Kaen. Markant ist der neunstöckige goldglänzende Stupa, der sich weithin sichtbar in den Himmel schraubt, sehenswert sind aber auch die bunten Malereien im Inneren. Auf dem Gelände des Tempels, meinem ersten Ziel, ist es noch ruhig, doch vor einem Nebengebäude entdecke ich drei Mönche, die mit irgendetwas beschäftigt sind. Meine Neugierde ist geweckt und daran, dass die frühmorgendlichen Aktivitäten mit Songkran zu tun haben, besteht für mich kein Zweifel. Beim Näherkommen sehe ich, dass die Männer einen Käfig mit Vögeln aufstellen und sogleich fällt bei mir der Groschen!
Tham Bun und Karma sind zwei wichtige Begriffe im Buddhismus. Um den Erwerb religiöser Verdienste, Merit-making im englischen Sprachgebrauch, geht es dabei zum einen. Zum anderen darum, dass jede Handlung bestimmte Konsequenzen nach sich zieht, sei es im gegenwärtigen oder erst in einem zukünftigen Leben. Eine der Möglichkeiten des Erwerbs solcher Verdienste, die zudem für gutes Karma sorgt, ist die rituelle Freilassung von Vögeln oder auch Fischen, Schildkröten und anderen Tieren. Und genau das passiert nun vor meinen Augen in Khon Kaen, außer mir ist nur ein Hund Zeuge der Zeremonie am Morgen des ersten Songkran-Tages.
Die Klappe des Käfigs öffnet sich und sofort fliegen einige der Vögel munter der neu gewonnenen Freiheit entgegen, während andere etwas länger brauchen, um sich an die Situation zu gewöhnen. Zuvor hatte es nämlich noch eine “Dusche” gegeben, vor der Freilassung hatte einer der Mönche Wasser über die Piepmätze geträufelt. Und nun sitzt der eine oder andere noch etwas bedröppelt auf dem Boden, um die Folgen dieser unerwarteten Prozedur zu verdauen, die Morgensonne hilft dabei, das Gefieder zu trocknen und zu richten. Bald darauf ist die Zeremonie dann aber endgültig vorbei und die Mönche verschwinden von der Bildfläche. Auch ich ziehe weiter, zurück bleibt der Vierbeiner, den die ganze Aktion ohnehin nicht sonderlich zu beeindrucken schien.
Song Nam Phra: Wasserguss für Buddha-Statuen
Ein paar Meter weiter, am Hauptgebäude des Wat Nong Waeng, haben sich inzwischen erste Besucher eingefunden. Während es drinnen um Gebete sowie Opfergaben geht, wird draußen eines der typischen Songkran-Rituale praktiziert. Wasser steht bereit, um mit kleinen Schüsseln abgeschöpft und für rituelle Waschungen verwendet zu werden. Als Objekt dienen Buddha-Statuen, sie werden einem symbolischen Reinigungsprozess unterzogen. Während alles Schlechte des vergangenen Jahres hinfortgewaschen wird, treten an seine Stelle die guten Wünsche für das neue Jahr – für Glück oder Gesundheit, für Geld oder was auch immer. Song Nam Phra lautet der Name dieser vielleicht bedeutendsten Songkran-Zeremonie.
Ehrung der Verstorbenen
Besinnlich geht es wenige Schritte weiter zu. In einer Mauer, die das Hauptgebäude des Tempels umgibt, sind Urnen mit der Asche Verstorbener beigesetzt. Bilder der Menschen, deren sterbliche Überreste hier auf traditionelle Weise aufbewahrt werden, zieren die einzelnen Fächer. Und genau dort finden sich nun nach und nach Angehörige zum Gebet ein, meist begleitet von Mönchen. Songkran, für Hinterbliebene also auch eine Gelegenheit zum Gedenken an geliebte Angehörige.
Liebevoll dekoriert ein Mann das Bild eines Verstorbenen mit einer kleinen Blumengirlande – vielleicht ist es der Vater, dessen Asche hier ruht. Abschließend werden die Blüten mit Wasser befeuchtet, dann kniet das kräftige Mannsbild in stiller Einkehr nieder. Verletzlich wirkt der tätowierte Bursche auf einmal – eine geradezu rührende Szene, die ihre Wirkung nicht verfehlt. Gefühle schwappen an die Oberfläche, wie aus heiterem Himmel werden verdrängte Gedanken zu Bildern. Es geht um Leben und Tod. Um Schmerz und Trauer. Um die Vergänglichkeit allen Seins. Wo kommt dieser blöde Kloß im Hals auf einmal her? Momente in Khon Kaen, die noch eine ganze Weile nachwirken – Songkran entpuppt sich als Seelenöffner!
Zweiter Songkran-Tag in Khon Khaen
Ein Mönch hantiert mit einer Leine, mit einer Seilwinde wird ein Gefäss hochgezogen, bis über den mächtigen Stupa, das auffällige Merkmal des Wat That, einem weiteren imposanten Tempel in Khon Khaen. Über dem Stupa wird das enthaltene Wasser ausgekippt, ergießt sich über das Monument, dann wird der geleerte Kübel wieder heruntergezogen, um neu befüllt zu werden. Ein weiteres Songkran-Ritual ist eröffnet am Morgen des zweiten Tages, nach und nach finden sich anschließend Besucher ein, um es dem Mönch nachzumachen. Was aber ist die Bedeutung des Brauchs? Der aufmerksamen Beobachtung folgt die Recherche, um der Sache auf den Grund zu gehen.
Der Stupa, thailändisch Chedi, ist Teil des Wat, der buddhistischen Tempelanlage. Das Bauwerk ist meist glockenförmig und nach oben hin spitz zulaufend, im Inneren des Monuments werden häufig Buddha-Reliquien aufbewahrt. Kurzum, der Tempelteil symbolisiert Buddha und seine Lehre, woraus sich nun auch der Sinn dieser weiteren Wasserzeremonie erschließt. Das Ganze ist ähnlich zu verstehen wie das reinigende “Bad”, in dessen Genuss die Buddha-Statuen kommen, scheint jedoch nicht gleichermaßen geläufig zu sein, ich konnte den Kult bisher nur einmal beobachten.
Aufräumen am Tag danach
Drei Tage thailändisches Neujahrsfest sind vorbei, ein Spaziergang um den Bueng Kaen Nakhon am nächsten Morgen bietet Gelegenheit, Songkran noch einmal Revue passieren zu lassen. Als Inspiration dienen die Schauplätze der Zeremonien, die Tempel sind allesamt Teil des Panoramas, das sich am Ufer des Sees bietet. Abbauen und Aufräumen ist am Tag danach in Khon Kaen angesagt. In den Tempeln wie auch an anderer Stelle in Ufernähe, wo einige Aufbauten und Dekoration zu entfernen sind – ungenutzt, hier sollten eigentlich weitere zentrale Festlichkeiten stattfinden. Was auch immer geplant war, es ist den pandemiebedingten Einschränkungen zum Opfer gefallen, die Vorbereitungen waren vergebens.
Songkran: Würdigung als bedeutendes Festival
Im Juli erfährt Songkran eine Würdigung. Nominiert sind 37 Festivals aus ganz Asien, drei werden schließlich als herausragende Events gekürt. Preisträger sind das Harbin International Ice and Snow Sculpture Festival in China und das Boryeong Mud Festival in Südkorea. Und eben das thailändische Neujahrsfest. Kein Zweifel dürfte jedoch daran bestehen, dass es eher die sonst ausgelassene Feierei ist, die in Verbindung mit der Beliebtheit bei ausländischen Besuchern den Ausschlag für diese Kür gibt – mehr jedenfalls als die stillen traditionellen Bräuche, die nicht in den lebendigen Straßen zu finden sind, sondern in Tempeln oder im Kreis der Familien.
Thailändisches Neujahrsfest nach der Pandemie
Drei Jahre sind vergangen seit meinen Erfahrungen von Khon Khaen, die Pandemie ist Geschichte, “business as usual” längst wieder angesagt. Und auch die Touristen strömen wieder nach Thailand – es brummt gewaltig, Bangkok, die Hauptstadt, ist 2023 die meistbesuchte Stadt der Welt, wie auch immer das ermittelt wurde. Während des thailändischen Neujahrsfestes wird gespritzt wie eh und je, traditionelle Bräuche sind wieder in den Hintergrund gerückt und es scheint geradezu so, als habe Songkran nie aus etwas anderem bestanden als aus wilden Wasserschlachten. Das jedenfalls ist auch ein Jahr später der Eindruck von den Bildern, die mir auf unterschiedlichen Kanälen in die Timeline gespült werden. Ich selbst bin 2024 nicht vor Ort, verlasse Thailand Anfang April.
Dass Songkran bevorsteht, war jedoch schon Ende März zu spüren. In Hua Hin werden am Straßenrand Spritzpistolen feilgeboten, in Geschäften sind knallbunte Hemden erhältlich, das typische Outfit für die Neujahrstage, und in einer Shopping Mall steht bereits eine Buddha-Statue bereit. Doch damit nicht genug: Unter dem Titel Maha Songkran World Water Festival 2024 organisiert die thailändische Tourismusbehörde landesweit Veranstaltungen. Die gehen sogar bis Ende April, weit über die eigentlichen Feiertage hinaus – Songkran und (fast) kein Ende! Ich gehe diesmal beidem aus dem Weg: Der Hitzewelle, die in einigen Regionen für Rekordtemperaturen sorgt, der Klimawandel macht auch vor Thailand nicht halt, wie auch dem Geballer aus Wasserpistolen, mit dem überall zu rechnen ist.
Hinweis
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Sehr schön beschrieben, Kopfkino hat wunderbar funktioniert! Und ich liebe das Wort bedröppelt 😅😄
Hahaha … danke, Inge. 😁