La Perla del Sur nennen sie die kubanische Hafenstadt an der Bahia de Cienfuegos. Als elegant und französisch gilt die Provinzhauptstadt, deren historischer Kern im Jahr 2005 zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Für viele Touristen ist Cienfuegos ein Etappenziel auf ihren Kuba-Rundreisen, für mich war es der zweite Stopp nach Matanzas.
Woher stammt der Name Cienfuegos? Mit Comandante Camilo Cienfuegos, Revolutionär und Mitstreiter von Che Guevara und den Castro-Brüdern in den 1950er-Jahren, hat er nichts zu tun. Die Stadt wurde nach José Cienfuegos, einem spanischen Offizier und Politiker, benannt.
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Eine Bildungslücke namens Benny
Benny Moré kannte ich bisher nicht. Eine Bildungslücke? An vielen Ecken der kubanischen Küstenstadt wird man nämlich an ihn erinnert. Moré war einer der berühmtesten kubanischen Musiker und im nahe gelegenen Santa Isabel de las Lajas ist er aufgewachsen. Sein Geburtshaus dort kann man besuchen, es ist inzwischen ein Museum.
Mein erster Versuch, ein Zimmer zu ergattern, läuft ins Leere. Die Casa Particular, bei der ich mein Glück versuche, ist belegt. Aber der Besitzer begleitet mich zu einer anderen Herberge, das lässt er sich nicht nehmen. So läuft es oft in Kuba. Wer selbst kein Zimmer frei hat, sorgt dafür, dass man anderweitig unterkommt.
Es sind nur ein paar hundert Meter und die nutzt der gute Mann, um mich in die Geschichte der Stadt einzuführen. Im Schnelldurchgang legt er mir das Vermächtnis spanischer, vor allem jedoch französischer Einwanderer ans Herz. Die haben Cienfuegos ihren architektonischen Stempel aufgedrückt. Sogar einen Triumphbogen gibt es an zentraler Stelle. Als der Viazul-Bus nach Cienfuegos hineingefahren ist, waren mir bereits die vielen mit Säulen geschmückten kolonialen Gebäude an der Hauptstraße, dem Paseo del Prado, aufgefallen.
Es ist beinahe so, als hätten sie sich abgesprochen. Meine neue Gastgeberin setzt den Vortrag über Cienfuegos nahtlos fort. Nebenbei notiert sie vorschriftsgemäß die Angaben aus meinem Reisepass. Und erklärt, dass die wesentlichen Sehenswürdigkeiten rund um den Parque José Martí zu finden sind, Museen und Theater zum Beispiel. Und vom Malecón spricht sie, der Uferstraße, die nach Punta Gorda hinausführt.
Parque José Martí, Mittelpunkt von Cienfuegos
Dann ist Schluss mit Theorie. Ich habe genug gehört, Cienfuegos wartet. Wie sich zeigt, ist der Parque José Martí nur ein paar Ecken von meiner Unterkunft entfernt. Er ist einer dieser zentralen Plätze, wie man sie überall in Kuba findet. Mittelpunkt der Stadt und meist nach einer bekannten Persönlichkeit benannt, die häufig mit einer Statue geehrt wird. Oft sind es Nationalhelden wie der Freiheitskämpfer und Begründer der kubanischen Nation, Céspedes. Oder eben José Martí, Schriftsteller und als Märtyrer zum Volkshelden der Kubaner geworden. Als Jugendlicher hat er Gedichte geschrieben und mit dem Widerstand gegen die spanischen Kolonialherren sympathisiert, 1895 ist er im Unabhängigskampf gefallen.
Meine beiden “Referenten” haben nicht übertrieben. Die Gebäude rund um den Parque José Martí sind eindrucksvoll. Ins Auge fällt besonders die Kathedrale der Unbefleckten Empfängnis, Catedral de la Purísima Concepción. Außerdem das Teatro Tomás Terry, ein prunkvolles Bauwerk, das auch einer südeuropäischen Metropole gut zu Gesicht stünde und der silbergraue Palacio de Gobierno, Sitz der Provinzregierung Asamblea Provincial del Poder Popular. Später, zur goldenen Stunde, taucht die Sonne die schmucken Gebäude zusätzlich in ein wunderbares Licht.
Dann lockt der Malecón. Ob es wohl Ähnlichkeiten mit der berühmten Uferpromenade in Havanna gibt? Träge schwappt das Wasser gegen die Ufermauer und es riecht modrig. Die Straße ist fast menschenleer, nur einige Männer trinken Bier vor einem Kiosk am Beginn der Uferstraße. Romantische Stimmung? Fehlanzeige.
Freundlicher wirkt die Chaussee am nächsten Tag. Auch Oldtimer, die gelegentlich vorbeifahren, sorgen bei Tageslicht für Flair. Ein Vergleich mit dem magischen Malecón von Havanna, der mich später noch faszinieren sollte, verbietet sich dennoch.
Punta Gorda: Cienfuegos´ Nobelviertel
Das volle Ausmaß der großartigen Lage an der Bucht lässt sich erst an der Spitze der Landzunge erkennen. Und Cienfuegos zeigt sich mit vielen Prachtbauten auf der Punta Gorda von einer ganz anderen Seite. In Bescheidenheit hat man sich hier nicht geübt.
Auch Casas Particulares, Privatunterkünfte, gibt es. Womöglich macht es Sinn, ein paar Tage hier zu verbringen. Ich lande in der Villa Lagarto, einem Restaurant. Zimmer vermieten sie auch, erfahre ich. Paladar und Casa Particular unter einem Dach, eine verheißungsvolle Kombination. Zumal das Essen schmackhaft ist und der Blick hinaus in die Bucht große Klasse.
Auf einmal jedoch füllt sich der Laden. Drei Reisebusse spucken ihre Insassen aus. So wird es hier dann wohl jeden Tag sein. Tagesbesucher machen den Paladar für die Besitzer zu einer Goldgrube. Draußen treffe ich anschließend auf den Fahrer eines Bici-Taxis, die kubanische Variante einer Fahrradrikscha. Da die meisten Touristen mit dem Bus kommen, habe er nur wenig Arbeit, klagt er. Ich nicke verständnisvoll. Und hatte mich von dem Gedanken an eine Bleibe längst verabschiedet. Das Essen war jedenfalls lecker gewesen.
Was für ein Theater
Am Abend geht es ins Theatro Tomás Terry am Parque José Martí. Das Programm: Ein buntes Durcheinander von Tanz, Gesang und Ballett. Mal kleine Künstler, dann wieder große. Das Publikum ist aus dem Häuschen und ich weiß nicht so recht, was ich davon halten soll. Nach nur einer Stunde ist schon alles vorbei und das Ende der Vorstellung wird von Gejohle begleitet. Was für ein Theater.
Ob man die Vielfalt kubanischer Kultur darstellen wollte, mit ihren Wurzeln in Afrika, Spanien, Frankreich und anderswo? Das gäbe diesem Kessel Buntes einen Sinn. Oder ging es womöglich nur darum, das johlende Volk zu unterhalten? Vielleicht die wahrscheinlichere Lösung. Und gelungen ist es ja, so viel steht fest. Für mich war vor allem interessant, einmal das Innere des Theatergebäudes aus dem 19. Jahrhundert zu sehen, mit Logen über 3 Etagen und kunstvoll gestalteter Deckenmalerei.
Überraschende Eindrücke zum Schluss
Es ist der Tag meiner Abreise. Noch einmal besuche ich morgens den Parque José Martí. Auf der Westseite, vor der Casa de la Cultura Benjamín Duarte, winkt mich eine Frau heran. Hereinkommen soll ich, darf mir das Gebäude von innen ansehen und sogar bis in die Kuppel hinaufsteigen. Was für eine Überraschung. Ich hatte vorher angenommen, dass Besucher keinen Zutritt hätten.
Abschied von Cienfuegos und Benny Moré
Auf dem Weg zum Busbahnhof passiere ich noch einmal den Paseo del Prado, die säulengeschmückte Hauptstrasse. In der Mitte des Boulevard haben sie eine Bronzestatue aufgestellt, mit Spazierstock unter dem Arm, dem Markenzeichen. “Benny” ruft mir einer der Passanten zu. Ich nicke. Ja klar, inzwischen weiß ich, wer das ist, die Bildungslücke ist geschlossen.
Und Benny Moré war es ja schließlich auch, der gesagt hat “Cienfuegos, es la ciudad que más me gusta a mí”. Sogar ein Lied hat er geschrieben mit diesem Titel. Aus Liebe zu seiner Heimat, zu Cienfuegos, der Stadt, die ihm am besten gefällt.
Ich war bereits 1990 dort und immer mal wieder, sodass ich die Veränderung erleben konnte. Cienfuegos hat sich fein herausgeputzt und darüber hinaus gibt es dort all das zu kaufen was mir immer in Holguin fehlt!