Bild des Hamburger Illustrators und Street-Art-Künstlers Absinth.
Deutschland

Absinth, ein Hamburger Künstler mit Phantasie und Liebe zum Detail

Auf der Stra­ße hin­ter­lässt er sei­ne Spu­ren in Form von Street Art, vor allem aber arbei­tet Absinth im Ate­lier. Im Ham­bur­ger Popstreet.shop habe ich die Ver­nis­sa­ge zu sei­ner Aus­stel­lung besucht und dabei mit dem Künst­ler gespro­chen. Und natür­lich geschaut, wie berau­schend die Bil­der des Man­nes eigent­lich sind, der sich so nennt wie das berüch­tig­te Kräuterdestillat. 

“Absinth ist der Ham­mer”, sagt Ste­phan Krüll vom Popstreet.shop. Vier Wochen, nach­dem es an glei­cher Stel­le gran­dio­se Pop Art von Maai­ke Dir­kx gab, bin ich zurück im Karo­li­nen­vier­tel, um dem nächs­ten High­light bei­zu­woh­nen. “Absinth macht rich­tig gute Kunst”, fügt Ste­phan, einer der bei­den Macher der fabel­haf­ten Gale­rie, hin­zu, “es ist toll, wie fili­gran und detail­ge­treu er arbei­tet!” Aber was ist das Geheim­nis des krea­ti­ven Schaf­fens, sind Absinths Wer­ke womög­lich ein Pro­dukt des Rau­sches? Bizar­re Fan­ta­sie­ge­stal­ten, den Wahn­vor­stel­lun­gen des Künst­lers ent­sprun­gen? Was hat es auf sich mit der kul­ti­gen Spi­ri­tuo­se, der “Grü­nen Fee”, die dem Künst­ler den Namen gibt?

Künstler Absinth zwischen Popstreet.shop-Bossen Michael Habel (links) und Stephan Krüll (rechts).
Künst­ler Absinth zwi­schen Micha­el Habel (links) und Ste­phan Krüll (rechts) vom Popstreet.shop

Die Geschichte des Getränks

Wer­mut, Anis und Fen­chel ste­cken in Absinth, dazu wei­te­re Kräu­ter. Meist ist das Getränk daher grün, Chlo­ro­phyll ver­leiht ihm sei­ne Far­be. Eben­falls cha­rak­te­ris­tisch ist der hohe Alko­hol­ge­halt von min­des­tens 45 %, mög­lich sind sogar bis zu 85 %. Vor allem in Frank­reich wur­de Absinth zu einem popu­lä­ren Getränk, Mit­te des 19. Jahr­hun­derts hat man das Gebräu dort zur heu­re ver­te, also einer “grü­nen Stun­de”, gern gesüf­felt. Spä­ter jedoch wur­de es dann zunächst ver­bo­ten, das hoch­pro­zen­ti­ge Zeug mache süch­tig, es wir­ke wie eine Dro­ge, das war der Grund. Zum Kreis der bekann­tes­ten Absinth-Anhän­ger zäh­len mit Gau­gu­in, Picas­so oder van Gogh übri­gens berühm­te Maler und auch Ernest Heming­way und Edgar Allan Poe waren der Spi­ri­tuo­se ver­fal­len. Auf­fäl­lig also die Beliebt­heit des Stöff­chens in Schrift­stel­ler- und Künst­ler­krei­sen, kann das Zufall sein?

Bilder vom Hamburger Künstler Absinth.
Bil­der von Absinth im Ham­bur­ger Popstreet.shop

Volles Haus zur Vernissage

Gut gefüllt ist das Haus beim abend­li­chen Event im Popstreet.shop und natür­lich steht ein Mann im Mit­tel­punkt: der Illus­tra­tor und Street-Art-Künst­ler Absinth ist mäch­tig gefragt. So dau­ert es eine Wei­le, bis ich mir den Ham­bur­ger zum Gespräch schnap­pen kann. Und erfah­re dann, dass der Künst­ler zwar bereits Mit­te der 90er Jah­re mit Street Art gestar­tet war, anschlie­ßend jedoch län­ger pau­sier­te. Seit eini­gen Jah­ren erst wid­met er sich wie­der inten­si­ver künst­le­ri­schen Akti­vi­tä­ten und die aktu­ells­ten Wer­ke sind nun zu bewun­dern. Um elek­tri­sche Nas­hör­ner, digi­ta­le Göt­tin­nen, mecha­ni­sche Kanin­chen und hedo­nis­ti­sche Wun­der­we­sen han­de­le es sich bei den Dar­stel­lun­gen, so die Erläu­te­rung, die dem inter­es­sier­ten Betrach­ter an die Hand gege­ben wird. Gin­ge es jedoch nach dem Künst­ler, er wür­de am liebs­ten die eige­nen Inter­pre­ta­tio­nen der Besu­cher hören und sich zu die­sem Zweck uner­kannt unter sie mischen. Nun, die­ser Zug ist für heu­te abgefahren!

Künstler Absinth während der Vernissage im Hamburger Popstreet.shop.
Gefrag­ter Mann: Künst­ler Absinth wäh­rend der Vernissage

Frauen und Tiere als Lieblingsmotive

Die The­men Fort­schritt und Digi­ta­li­sie­rung ste­hen im Mit­tel­punkt von Absinths Arbeit, wobei die Moti­ve dazu sei­ner eige­nen, ganz per­sön­li­chen Gedan­ken­welt ent­stam­men. “Ich male gern Frau­en und Tie­re”, ver­rät der Künst­ler und betont, dass er das in ers­ter Linie für sich selbst macht anstatt sich danach zu rich­ten, was das Publi­kum mög­li­cher­wei­se sehen will. Wenn es näm­lich danach gin­ge, bräuch­te er eigent­lich nur Kat­zen zu malen. “Kat­zen gehen immer”, sagt er lachend. “Ich hät­te aber kei­ne Lust, irgend­wel­chen Fir­le­fanz zu malen, nur um mei­ne Mie­te zah­len zu kön­nen”, gesteht Absinth und ver­weist auf sei­nen Job in der Sozi­al­the­ra­pie, der es ihm gestat­te, Phan­ta­sie und Krea­ti­vi­tät ohne sol­che äuße­ren Zwän­ge frei­en Lauf zu lassen.

"Hypnospace", Kunstwerk des Hamburger Künstlers Absinth.
“Hyp­nospace” heißt die­ses Werk von Absinth

Inspi­riert ist Absinth vom Jugend­stil, der Kunst­be­we­gung, deren Blü­te­zeit zwi­schen 1890 und 1910 lag. Einer Rich­tung, deren cha­rak­te­ris­ti­sche Ele­men­te deko­ra­tiv-flie­ßen­de Lini­en, geblüm­te Orna­men­te und geo­me­tri­sche For­men sowie die Ver­wen­dung sym­bo­li­scher Figu­ren sind.

Wie viel Absinth steckt im Künstler?

Eine Fra­ge ist noch offen: wie viel des berau­schen­den Getränks steckt nun eigent­lich in der Arbeit des Ham­bur­ger Künst­lers? Reiht er sich naht­los ein in die Rie­ge der Berühmt­hei­ten, die vor mehr als hun­dert Jah­ren auf Absinth als sti­mu­lie­ren­de Dro­ge schwo­ren? Ist womög­lich von ähn­lich kras­sen Fol­gen zu berich­ten wie beim Lyri­ker Bau­de­lai­re, der mein­te, sich im Absinth-Rausch die Haa­re grün fär­ben zu müs­sen oder beim Maler-Kol­le­gen van Gogh, der sich gar das Ohr abschnitt?

Kunstwerk des Hamburger Künstlers Absinth, Name des Bildes: "Too much is not enough".
“Too much is not enough” ist der Name des Bildes

Um es vor­weg zu neh­men, nichts von alle­dem ist der Fall, Ent­war­nung ist zu ver­mel­den von der skan­dal­um­wit­ter­ten Absinth-Front. Denn ver­gleichs­wei­se banal lau­tet die Erklä­rung für das Zustan­de­kom­men des Namens. Machen wir einen Sprung nach Ams­ter­dam, wo der jun­ge Absinth, noch nennt er sich nicht so, Ende der 90er Jah­re auf Klas­sen­fahrt ist. Inter­net ist Neu­land und vor allem teu­er, abge­rech­net wird im Vier­tel­stun­den­takt. Ein User­na­me ist zudem von­nö­ten, um das Medi­um in der nie­der­län­di­schen Haupt­stadt zu nut­zen und, ange­tan von der Absinth-Rekla­me im nahen Rijks­mu­se­um, fällt dem jun­gen Mann die Wahl nicht schwer. Der Künst­ler­na­me Absinth ist gebo­ren und auch 20 Jah­re spä­ter wird er ihm noch treu sein.

Bild des Hamburger Künstlers Absinth "Going down among the saints".
“Going down among the saints”

Entmythologisierung des Getränks

Nach­dem das Rät­sel um den Namen des Künst­lers nun gelöst ist, soll­ten wir auch dem Geheim­nis des mys­ti­schen Drinks noch auf den Grund gehen. Ero­ti­sie­rend sei die Wir­kung und hal­lu­zi­no­gen, heißt es. Und ein Quell der Krea­ti­vi­tät spru­de­le als Fol­ge des Absinth­kon­sums. Klar, hät­ten Picas­so, van Gogh und die ande­ren Getränks­män­ner das Eli­xier wohl sonst abge­schä­delt? Die Wis­sen­schaft macht uns jedoch einen Strich durch die Rech­nung, denn längst ist die “grü­ne Fee” ana­ly­siert, bis ins kleins­te Detail. Thu­jon heißt der Stoff, aus dem die Träu­me sind, zu Hal­lu­zi­na­tio­nen führt das Ner­ven­gift, bis hin zu Wahn­vor­stel­lun­gen. Nur ist die ent­hal­te­ne Dosis viel zu nied­rig, um die­se Wir­kung zu ent­fal­ten. Fünf Fla­schen der hoch­pro­zen­ti­gen Brü­he müss­te man dazu näm­lich trin­ken, eine Anfor­de­rung, an der selbst ein geüb­ter Spi­ri­tuo­sen-Ver­wer­ter wie Papa Heming­way sicher geschei­tert wäre. Aus, Schluss und vor­bei. Ent­zau­bert ist der Mythos namens Absinth!

Der Hamburger Künstler Absinth mit seinem Werk "The age of confidence".
Der Künst­ler vor sei­nem Werk “The age of confidence”

Neue Ziele des Künstlers Absinth

Ein Drei­vier­tel­jahr hat der Künst­ler an der Vor­be­rei­tung der aktu­el­len Prä­sen­ta­ti­on in Ham­burgs Karo­vier­tel gear­bei­tet und das Ergeb­nis kann sich sehen las­sen. Der Blick rich­tet sich aber bereits nach vorn, denn schon für den nächs­ten Som­mer ist eine wei­te­re Solo-Aus­stel­lung geplant. Kei­nen Zwei­fel lässt Absinth dar­an, dass die Ent­wick­lung wei­ter­ge­hen wird: “Ich hät­te kei­nen Spaß dar­an, immer den glei­chen Scheiß zu machen.” Einen Stil­bruch wer­de es geben, mit farb­li­chen und gra­fi­schen Ände­run­gen. Auf das Ergeb­nis darf man bereits jetzt gespannt sein, auf fri­sche, neue Wer­ke, ange­lehnt an den Jugend­stil, der damals, vor mehr als hun­dert Jah­ren, als jung, modern und ori­gi­nell galt. Eine Beschrei­bung, wie gemacht auch für die Gegen­wart und die Wer­ke des Ham­bur­ger Künst­lers. Man kann es natür­lich auch mit den Wor­ten des Popstreet.shop-Mannes Ste­phan Krüll sagen: “Absinth ist der Ham­mer, er macht rich­tig gute Kunst!”.

Absinth – der Künstler auf einen Blick

  • Inter­net: zu fin­den ist Absinth bei Insta­gram und bei Face­book.
  • Aus­stel­lung: “Rag­na­r­ök Bitch Infer­no”, lief bis Mit­te Sep­tem­ber 2018 in der Gale­rie Popstreet.shop, Glas­hüt­ten­stra­ße 105, Karo­li­nen­vier­tel / St. Pau­li (Öff­nungs­zei­ten: Diens­tag – Frei­tag 12–19 Uhr, Sams­tag 12–18 Uhr). Ein Besuch dort lohnt immer – für alle, die inter­es­siert sind an Street Art, Pop Art oder Urban Art.

Autor, Reisereporter und Reiseblogger. Nachdem man ihn dazu gebracht hat, seine vorherige berufliche Karriere zu beenden (um das böse Wort Mobbing zu vermeiden), treibt ihn die Neugier hinaus in die Welt und er erzählt Geschichten von unterwegs.

2 Kommentare zu “Absinth, ein Hamburger Künstler mit Phantasie und Liebe zum Detail

  1. Maaike Dirkx

    Tol­ler Arti­kel! Ich war auch auf der Ver­nis­sa­ge aber eher spä­ter, schade!
    Bis auf bald. Grü­ße Maaike

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