Es ist erstaunlich, aber vorher war ich nur sporadisch mal in unserem kleinen Nachbarland. Und Amersfoort ist sicher nicht das angesagteste Ziel in den Niederlanden. Aber vielleicht genau richtig, um sich auf die Spur des holländischen Klischees zu begeben. Käse. Fahrräder. Coffeeshops. Und was es noch alles so gibt. Wie der Zufall es wollte, habe ich meine Herberge mehrfach gewechselt. Dadurch hatte ich ganz unterschiedliche Perspektiven auf Amersfoort.
Was mich ausgerechnet nach Amersfoort verschlagen hat? Ich hatte zuvor positives über Utrecht gelesen. In einem Reiseblog, wo sonst? Dass ich dann tatsächlich im 20 km entfernten Amersfoort gelandet bin, ist eher dem Zufall geschuldet. Und dass ich länger als ursprünglich geplant geblieben bin, spricht sicher nicht gegen die zweitgrößte Stadt der Provinz Utrecht.
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Schiff ahoi
Der erste Eindruck nach meiner Ankunft: Fahrräder, Fahrräder, Fahrräder. Es müssen hunderte sein. Sie stehen direkt vor dem Bahnhof. Willkommen in den Niederlanden.
Meine Unterkunft ist ein ehemaliges Kohleschiff. Die “Vita Nova”, Baujahr 1940, war früher Richtung Belgien und Frankreich unterwegs, erzählt mir die freundliche Gastgeberin später. In meiner Kabine ist es warm und stickig, es ist ein heißer Tag. Aber es ist gemütlich und liebevoll eingerichtet. Die Toilette ist winzig, eine kleinere habe ich vorher noch nicht gesehen. Aber besser eine kleine Toilette als gar keine. Im Vergleich dazu überrascht die Dusche mit einer erstaunlich komfortablen Größe.
Im historischen Stadtkern von Amersfoort, nur wenige Minuten vom Hausboot entfernt, herrscht eine wohltuend beschauliche Atmosphäre. Restaurants, Cafés und Geschäfte laden zum Bummeln ein. Ich fühle mich auf Anhieb wohl.
De lekkerste Appeltaart
Noch am selben Nachmittag mache ich die Corazon Bakery ausfindig. Nicht nur die leckere Appeltaart sollte mich in den folgenden Tagen noch häufiger dorthin zurückführen. Stolz teilt man mir später mit, dass sie dort täglich ein neues Rezept für diese niederländische Apfelkuchenspezialität verwenden. Bemerkenswert, dass es so viele verschiedene Arten der Zubereitung gibt.
Nach drei Nächten wechsele ich die Unterkunft. Ich möchte das gemütliche Amersfoort noch nicht verlassen. Meine Wahl fällt auf das Hotel de Tabaksplant, ein schönes Haus aus dem 17. Jahrhundert. Ich habe ein Dreibettzimmer unter dem luftigen Dach für mich allein. Das im Preis inbegriffene Frühstück ist reichhaltig und das Personal richtig nett. Alles wunderbar. Aber leider nur für eine Nacht. Dann ist das Haus ausgebucht.
Inzwischen habe ich auch das Dara für mich entdeckt. Appeltaart haben sie dort zwar nicht, dafür sorgen schmackhafte internationale Tapas (Mezzes) mit arabischen, griechischen und weiteren Einflüssen für Abwechslung auf meinem Speiseplan. Direkt am Kanal, in der Nähe meiner ersten Unterkunft, liegt das beliebte Restaurant.
Dass ich ein weiteres Mal die Unterkunft wechseln muss, ist schade, bietet aber die Chance auf neue Eindrücke. Ich entscheide mich für Jamila Suites, einen Altbau, in dem eine steile Treppe hoch in mein kleines Zimmer führt. Ein riesiges Bad steht zur Mitbenutzung zur Verfügung. Und das Frühstück gibt´s direkt bei der Gastgeberin in der Küche. Das kommt “living like a local“, was ich so mag, wohl am nächsten.
Brauereibesuch statt Museum
Einige Museen gibt es auch in Amersfoort. Das heißt, es soll sie geben, ich habe sie nicht gesehen. Ich bin nicht so der Museumsgänger. Dafür habe ich der Brouwerij de Drie Ringen einen Besuch abgestattet. Die keine Brauerei lädt zur Bierverkostung ein. Sieben verschiedene Sorten aus eigener Produktion. Eine davon habe ich getestet. Fazit: Auch der Rest wäre einen Versuch wert.
„Dancing in the street“ singt Mick Jagger, als ich das Horizon betrete. Es scheint nur zwei Coffeeshops in Amersfoort zu geben. Der erste heißt Trendtown und ist so unscheinbar, dass man beinahe dran vorbeiläuft. Und um das Horizon ausfindig zu machen, muss man genau wissen, wo es ist. Sonst findet man es nicht. Ich hatte sorgfältig recherchiert.
All we need is music, sweet music
There’ll be music everywhere
They’ll be swinging, swaying, records playing,
Dancing in the street, oh
In Eindhoven irgendwann vor einiger Zeit hieß es noch „not possible for you“, als ich dort hinter die Kulissen schauen wollte. In Holland geht mit dem Thema Cannabis grundsätzlich ja sehr tolerant um. Dennoch gibt es Unterschiede. Im Süden des Landes hat man den Wietpas eingeführt. Der ist für Niederländer. Für Ausländer gilt „not possible“. Man möchte Drogentourismus vermeiden.
It doesn’t matter what you wear,
just as long as you are there
So come on, every guy, grab a girl,
everywhere, around the world
They’ll be dancing, dancing in the street
Im Horizon sitzt eine dunkelhäutige Schönheit. Geschmeidig gleiten ihre Finger über die Blättchen und zerbröseln das Gras. Geradezu zärtlich sieht das aus, wie sie ihren Joint vorbereitet. Und in ihrem hübschen Gesicht liegt ein sanftes Lächeln. Ich wusste nicht, dass Kiffen so sexy sein kann.
It’s an invitation across the nation,
a chance for folks to meet
They’ll be laughing and singing, music swinging
Dancing in the street
Bei aller Toleranz im Umgang mit dem Thema, es gibt keine schlüssigen Regelungen. Anbau und Einfuhr von Cannabis sind nämlich verboten. Verkauf und Erwerb in gewissen Mengen hingegen erlaubt. Dieser Widerspruch lässt sich wohl nur mit einem lösen. Mit Toleranz. Hinzu kommt, dass jede Gemeinde für sich entscheiden darf, wie sie mit der Sache umgeht. Mal sind Coffeeshops erlaubt, mal nicht. Und mal sind sie für Ausländer zugänglich, und mal eben nicht.
It doesn’t matter what you wear
Just as long as you are there
So come on every guy, grab a girl,
everywhere, around the world
They’ll be dancing, dancing in the street
Durch die Scheibe sehe ich, wie sich eine Familie dem Geschäft nähert. Der Vater bleibt vor der Tür stehen, der Sohn kommt herein. Begleitet von seiner Mutti. Die nimmt die Bezeichnung Coffeeshop wörtlich. Und bestellt Kaffee, Sohnemann widmet sich einer Cola. Irgendwann hat der Bengel dann einen Joint in der Hand. Und fängt nach zwei, drei Zügen an zu kichern. Er scheint Spaß zu haben. Mutti auch. Der Senior wartet draußen.
Fahrräder und ein Paket mit Souvenirs
Sechs entspannte Tage habe ich in Amersfoort verbracht. Der vorletzte Eindruck, bevor ich den Zug zurück nach Hannover besteige: Fahrräder. Das kenne ich ja schon. Und den letzten Eindruck, den habe ich eingepackt. Ein Paket mit Appeltaart aus der Corazon Bakery. Was sonst?
An Johannes Heesters erinnert übrigens nichts in Amersfoort, mir ist jedenfalls nichts aufgefallen. Heesters war Kind dieser Stadt, aber mit ihm haben sie es dort wohl nicht so. Nicht allen hat gefallen, wie er zur Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland Karriere gemacht hat. Daran könnte es liegen.
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