Monumentales Wandgemälde "Liberté, Égalité, Fraternité" von Shepard Fairey (Obey) mit Marianne im 13. Arrondissement Paris
Frankreich

Open-Air-Galerie im 13. Stadtbezirk von Paris: Street Art im XXL-Format

Selbst bei vie­len Ein­hei­mi­schen ist es nicht bekannt: ein beein­dru­cken­des Frei­luft­mu­se­um in Paris. Im 13. Arron­dis­se­ment ver­wan­deln inter­na­tio­na­le Street-Art-Künst­ler kom­plet­te Hoch­haus­fas­sa­den in über­wäl­ti­gen­de Kunst­wer­ke – eine Ein­la­dung zu einem urba­nen Rund­gang abseits der übli­chen Touristenpfade.

Paris ist die Stadt der Kunst, die fran­zö­si­sche Haupt­stadt ist bekannt für den Lou­vre, das Musée d’Or­say und das Cent­re Pom­pi­dou – wer jedoch eine authen­ti­sche Street-Art-Tour in Paris erle­ben möch­te, fin­det eines der fas­zi­nie­rends­ten Kunst­pro­jek­te der Stadt unter frei­em Him­mel im süd­li­chen 13. Arron­dis­se­ment. Hier, ent­lang des Bou­le­vard Vin­cent Auri­ol und in den umlie­gen­den Stra­ßen zwi­schen Place d’I­ta­lie und Quai de la Gare, wur­de ein präch­ti­ges Pro­jekt umge­setzt: Street Art im XXL-For­mat. Als ich zufäl­lig die ers­ten Murals ent­de­cke, kom­me ich gera­de aus But­te aux Cail­les, einem Vier­tel in der Nähe mit bun­ten Häu­sern, Kopf­stein­pflas­ter, etli­chen net­ten Bars und Restau­rants und noch viel mehr Street Art. Davon gibt es nun in der Nach­bar­schaft also noch mehr zu ent­de­cken – nur die Dimen­sio­nen ver­schie­ben sich.

Detailaufnahme der kaleidoskopartigen, blauen und pinken Haarelemente im Evelyn-Nesbit-Porträt von BTOY in Paris 13
Detail­aus­schnitt: BTOYS far­ben­fro­he Neu­in­ter­pre­ta­ti­on einer his­to­ri­schen Figur

Kunst statt Beton: Museum unter freiem Himmel

Rund 30 über­di­men­sio­na­le Murals bekann­ter Ver­tre­ter der glo­ba­len Street-Art-Sze­ne ver­wan­deln die sonst eher unschein­ba­ren Gebäu­de des Vier­tels in spek­ta­ku­lä­re Lein­wän­de. Trei­ben­de Kraft hin­ter dem ambi­tio­nier­ten Pro­jekt ist Meh­di Ben Cheikh, Grün­der der Gale­rie Itin­er­rance; er hat es geschafft, nam­haf­te Street-Art-Künst­ler aus aller Welt für die­se urba­ne Gale­rie zu gewin­nen. Die beein­dru­cken­den Wand­bil­der erzäh­len Geschich­ten von kul­tu­rel­ler Iden­ti­tät, gesell­schaft­li­chen Wer­ten und künst­le­ri­schen Visio­nen. Krea­ti­ve aus Spa­ni­en, den USA, der Ukrai­ne, Por­tu­gal, Mexi­ko, Irland und vie­len ande­ren Län­dern haben hier ihre jeweils eige­ne Inter­pre­ta­ti­on urba­ner Kunst hinterlassen.

Detailreiches blaues Katzenporträt "Le Chat Bleu" des französischen Stencil-Künstlers C215 (Christian Guémy) in Paris 13
“Le Chat Bleu” – Poe­ti­sche Scha­blo­nen-Kunst von C215

C215: Meister der Schablonenkunst

Der fran­zö­si­sche Street-Art-Künst­ler Chris­ti­an Gué­my, bekannt unter dem Pseud­onym C215, gilt als einer der renom­mier­tes­ten Scha­blo­nen­künst­ler der Welt. Sein Werk “Le Chat Bleu” (Die blaue Kat­ze) fällt durch sei­ne inten­si­ve Farb­ge­bung und die detail­rei­che Aus­ar­bei­tung auf. C215 ist bekannt für sozi­al­kri­ti­sche Por­träts von Rand­grup­pen, aber auch für poe­ti­sche Tier­dar­stel­lun­gen, die eine ganz eige­ne Per­sön­lich­keit aus­strah­len. Sei­ne prä­zi­se Scha­blo­nen­tech­nik ermög­licht ihm eine erstaun­li­che Detail­treue, die sei­ne Arbei­ten wie Foto­gra­fien wir­ken las­sen. Wäh­rend vie­le sei­ner Wer­ke klei­ner und eher ver­steckt in den Stra­ßen von Paris zu fin­den sind, fügt sich die­ses groß­for­ma­ti­ge Kat­zen­mo­tiv per­fekt in die XXL-Gale­rie des 13. Arron­dis­se­ments ein.

Schwarz-weißes Wandbild von C215 mit Mutter und Kind, deren Kleidung aus dem Wort "Frieden" in verschiedenen Sprachen besteht, Paris 13
“Mut­ter und Kind” von C215 – Eine glo­ba­le Frie­dens­bot­schaft in Schwarz-Weiß

Die fran­zö­si­sche Scha­blo­nen­tech­nik (Pochoir) hat eine lan­ge Tra­di­ti­on in der Street Art – auch ein bemer­kens­wer­tes Bei­spiel ist Artis­te Ouvrier mit sei­ner fili­gra­nen Farb­tech­nik, die ich in Bang­kok ent­deckt habe. Sei­ne Wer­ke beein­dru­cken durch außer­ge­wöhn­li­che Detail­tie­fe, die er mit nur zwei Scha­blo­nen, aber bis zu 48 ver­schie­de­nen Far­ben erzielt. Zurück zum Pari­ser 13. Arron­dis­se­ment: Dort fin­det sich in der Rue Jean-Sébas­tien Bach noch ein wei­te­res Werk von C215. Ein ergrei­fen­des schwarz-wei­ßes Por­trät einer Mut­ter mit Kind, deren Klei­dung aus dem Wort “Frie­den” in ver­schie­de­nen Spra­chen besteht – eine uni­ver­sel­le Bot­schaft, die das mul­ti­kul­tu­rel­le For­mat die­ses Pari­ser Vier­tels unterstreicht.

Obeys “Liberté, Égalité, Fraternité”: Mehr als nur ein Motto

Eines der bedeu­tends­ten Wer­ke stammt vom US-ame­ri­ka­ni­schen Künst­ler She­pard Fairey, auch bekannt unter dem Pseud­onym Obey. Sein gigan­ti­sches Wand­bild zeigt eine sti­li­sier­te Mari­an­ne, das Sym­bol der Fran­zö­si­schen Repu­blik – umge­ben vom Leit­satz “Liber­té, Éga­li­té, Fra­ter­ni­té”. Fairey schuf das Mural als Reak­ti­on auf die Ter­ror­an­schlä­ge im Bata­clan und in ande­ren Tei­len von Paris Ende 2015 – ein Zei­chen der Soli­da­ri­tät mit den Pari­se­rin­nen und Parisern.

Street-Art-Mural "Liberté, Égalité, Fraternité" von Shepard Fairey (Obey) im 13. Arrondissement Paris nach den Terroranschlägen 2015
“Liber­té, Éga­li­té, Fra­ter­ni­té” – She­pard Faireys Soli­da­ri­täts­werk nach den Anschlä­gen 2015

Die Geschich­te des Wand­bil­des nimmt jedoch eine uner­war­te­te Wen­dung: Im Dezem­ber 2020 modi­fi­zie­ren Akti­vis­ten das Werk, indem sie das Mot­to durch­strei­chen und Mari­an­ne mit Blut­t­rä­nen ver­se­hen – ver­bun­den mit dem Hash­tag #Mari­an­ne­Pleu­re als Pro­test gegen die wahr­ge­nom­me­ne Aus­höh­lung repu­bli­ka­ni­scher Wer­te in Frank­reich. Fairey reagiert mit Ver­ständ­nis für den Pro­test, betont aber, dass sein Werk nie als poli­ti­sches State­ment kon­zi­piert war, son­dern als Sym­bol für Men­schen­wür­de und Soli­da­ri­tät nach den Terroranschlägen.

Marianne-Porträt mit roter Träne von Shepard Fairey, teilweise von Baumzweigen verdeckt, vor französischer Flagge in Paris 13
Mari­an­ne im Grü­nen – Kunst und Natur im urba­nen Raum

“Ich ste­he auf der Sei­te der Men­schen, die sich gegen Unge­rech­tig­keit weh­ren”, erklärt er, “aber ich bin nicht bereit, die­ses Sym­bol auf­zu­ge­ben.” Als Reak­ti­on erneu­ert er das Mural und fügt eine Trä­ne hin­zu. Zudem ver­öf­fent­licht er eine limi­tier­te Dru­cke­di­ti­on mit dem Zusatz “Taten sind wich­ti­ger als Wor­te” und spen­det alle Ein­nah­men an die Hilfs­or­ga­ni­sa­ti­on Les Res­tos du Cœur.

Monumentales Rot-Schwarz-Weiß-Porträt "Rise Above Rebel" von Shepard Fairey (Obey) an Hochhausfassade im 13. Arrondissement Paris
“Rise Abo­ve Rebel” – Obeys 40 Meter hohes Sym­bol des Widerstands

Neben die­sem sym­bol­träch­ti­gen Werk hat Fairey noch ein wei­te­res beein­dru­cken­des Mural im 13. Arron­dis­se­ment hin­ter­las­sen: “Rise Abo­ve Rebel”, ein 40 Meter hohes Por­trät in sei­nen cha­rak­te­ris­ti­schen Rot-Schwarz-Tönen an der Ecke Bou­le­vard Vin­cent Auri­ol und Rue Jean­ne d’Arc. Die­ses bereits 2012 ent­stan­de­ne Werk ist eine sei­ner ers­ten monu­men­ta­len Arbei­ten in Paris und ruft dazu auf, sich über gesell­schaft­li­che Ein­schrän­kun­gen und den all­ge­gen­wär­ti­gen Ein­fluss der Wer­bung zu erheben.

“Evelyn Nesbit”: Feministische Perspektiven von BTOY

Ein ande­res fas­zi­nie­ren­des Werk ist das Por­trät von Eve­lyn Nes­bit, geschaf­fen von der spa­ni­schen Künst­le­rin Andrea Michaels­son, bes­ser bekannt als BTOY. Ihre Arbeit zeich­net sich durch star­ke weib­li­che Figu­ren aus, oft inspi­riert von Iko­nen ver­gan­ge­ner Epo­chen. Eve­lyn Nes­bit, ein ame­ri­ka­ni­sches Model und Show­girl aus dem frü­hen 20. Jahr­hun­dert, wird hier in leuch­ten­den Blau- und Rot­tö­nen dar­ge­stellt, die Haa­re mit far­ben­fro­hen, kalei­do­skop­ar­ti­gen Mus­tern versehen.

Farbenprächtiges Porträt von Evelyn Nesbit von der spanischen Künstlerin BTOY (Andrea Michaelsson) im 13. Arrondissement Paris
Eve­lyn-Nes­bit-Por­trät von BTOY – His­to­ri­sche Frau­en­fi­gur in moder­nem Kontext

BTOY trans­for­miert mit ihrer Kunst oft his­to­ri­sche Frau­en­bil­der und stellt sie in einen moder­nen Kon­text, der zum Nach­den­ken über Geschlech­ter­rol­len und ‑dar­stel­lun­gen anregt.

Vhils: Kunst durch Zerstörung

Einen völ­lig ande­ren Ansatz ver­folgt der por­tu­gie­si­sche Künst­ler Alex­and­re Far­to, bekannt als Vhils. Anstatt Far­be auf die Wand auf­zu­tra­gen, trägt er Mate­ri­al ab. Mit Ham­mer, Mei­ßel und manch­mal sogar kon­trol­lier­ten Explo­sio­nen schafft er beein­dru­cken­de Por­träts, indem er Schich­ten der Wand freilegt.

Aus der Wand gemeißeltes Porträt des portugiesischen Künstlers Vhils (Alexandre Farto) im 13. Arrondissement Paris
Skulp­tu­ra­les Por­trät von Vhils – Kunst durch sub­trak­ti­ve Technik

Sein 2012 in Paris geschaf­fe­nes Werk zeigt ein Gesicht, das förm­lich aus der Fas­sa­de her­aus­zu­bre­chen scheint. Die ein­zig­ar­ti­ge Tech­nik spielt mit Licht und Schat­ten und erzeugt eine fas­zi­nie­ren­de Tie­fen­wir­kung, die das Mural je nach Tages­zeit und Licht­ein­fall ver­än­dert erschei­nen lässt. Vhils’ mar­kan­te “Archäo­lo­gie des Urba­nen” konn­te ich zuletzt auch beim Cor de Che­las Fes­ti­val in Lis­sa­bon ent­de­cken, wo der Künst­ler eben­falls mit einem typi­schen Bei­trag betei­ligt ist.

Seth: Kraft der kindlichen Perspektive

Der fran­zö­si­sche Künst­ler Juli­en Mal­land, bekannt als Seth, hat eines der poe­tischs­ten Wer­ke der Samm­lung geschaf­fen. Es zeigt einen Jun­gen von hin­ten, der vor einem regen­bo­gen­far­be­nen Gebäu­de steht. Das Beson­de­re: Das Mural ist als Ana­mo­r­pho­se kon­zi­piert, eine opti­sche Illu­si­on, die nur aus einem bestimm­ten Blick­win­kel voll­stän­dig zur Gel­tung kommt. Seth ist bekannt für die Dar­stel­lung von Kin­dern, die er auf sei­nen Rei­sen um die Welt auf unter­schied­lichs­te Wän­de malt. Sei­ne Figu­ren ver­bin­den oft ver­schie­de­ne Kul­tu­ren und laden den Betrach­ter ein, die Welt mit den Augen eines Kin­des zu sehen – vol­ler Wun­der, Neu­gier und ohne Vorurteile.

Wandgemälde von Seth (Julien Malland) mit einem Kind vor regenbogenfarbenen Gebäuden im 13. Arrondissement Paris
Seths ana­mo­r­phes Kin­der­mo­tiv – Blick in eine bun­te Zukunft

Conor Harrington: Politische Kämpfe in barockem Gewand

Der iri­sche Künst­ler Conor Har­ring­ton ver­bin­det in sei­nem Werk “Etrein­te et Lut­te” (Umar­mung und Kampf) klas­si­sche Male­rei mit moder­ner Street Art. Auf den ers­ten Blick scheint das Bild eine Umar­mung zwei­er Män­ner in his­to­ri­schen Kos­tü­men zu zei­gen – doch tat­säch­lich han­delt es sich um die Dar­stel­lung eines poli­ti­schen Ringens.

"Etreinte et Lutte" von Conor Harrington zeigt zwei Männer in historischen Kostümen in einer Umarmung/Kampfszene im 13. Arrondissement Paris
“Etrein­te et Lut­te” – Barock­äs­the­tik trifft poli­ti­schen Kommentar

Har­ring­ton schuf das Werk 2017 vor dem Hin­ter­grund der anste­hen­den fran­zö­si­schen Prä­si­dent­schafts­wah­len. Mit sei­ner bewusst mehr­deu­ti­gen Dar­stel­lung zeigt er, dass in der Poli­tik jede Geschich­te zwei Sei­ten hat. Er arbei­tet mit einer Ästhe­tik, die an baro­cke Gemäl­de erin­nert, dabei jedoch zeit­ge­nös­si­sche gesell­schafts­po­li­ti­sche The­men vermittelt.

It’s A Living: Typografische Kunst im Großformat

Ein völ­lig ande­rer Ansatz zeigt sich im Werk von Ricar­do Gon­za­lez, bekannt als It’s A Living. Sein gigan­ti­sches Mural “To Live And Love” bedeckt 14 Stock­wer­ke eines Hoch­hau­ses und besteht aus far­ben­fro­her, dyna­mi­scher Kal­li­gra­fie. Der mexi­ka­ni­sche Künst­ler, der sei­ne Kar­rie­re als Gra­fi­ker begann, hat sich auf hand­ge­schrie­be­ne Typo­gra­fie spe­zia­li­siert. Sei­ne flie­ßen­den, leben­di­gen Schrift­zü­ge ver­mit­teln nicht nur Wor­te, son­dern auch Emo­tio­nen und ver­wan­deln all­täg­li­che Aus­drü­cke in visu­el­le Kunst­wer­ke. Das Pari­ser Mural ist gemäß Aus­sa­ge von 2022 sein bis dahin größ­tes Werk.

Kalligrafisches XXL-Wandbild "To Live And Love" von Ricardo Gonzalez (It's A Living) über 14 Stockwerke im 13. Arrondissement Paris
“To Live And Love” – 14 Stock­wer­ke kal­li­gra­fi­sche Kunst

Invader: Pixelkunst trifft Popkultur

Eine ganz ande­re Ästhe­tik bringt der fran­zö­si­sche Künst­ler Inva­der ins Spiel. Mit sei­nem an Video­spie­le der 1980er Jah­re erin­nern­den Pixel­stil hat er sich welt­weit einen Namen gemacht. Sein Werk an der Fas­sa­de des Kran­ken­hau­ses Pitié-Sal­pêtriè­re ist beson­ders wit­zig: Es zeigt den fik­ti­ven Arzt Dr. House aus der gleich­na­mi­gen TV-Serie in einer Pixel-Art-Dar­stel­lung – eine cle­ve­re und humor­vol­le Refe­renz zum Stand­ort des Werks. Die Arbei­ten von Inva­der, der sei­ne Iden­ti­tät hin­ter einem Pseud­onym ver­birgt, sind typi­scher­wei­se klei­ne Mosai­ke, die welt­weit – mehr oder weni­ger unauf­fäl­lig – in Städ­ten “inva­die­ren”. Die­se groß­for­ma­ti­ge Ver­si­on ist eine Aus­nah­me und mar­kiert sei­ne ers­te ech­te Wand­ma­le­rei in Paris.

Pixelkunst-Wandbild "Dr. House" von Invader an der Fassade des Krankenhauses Pitié-Salpêtrière im 13. Arrondissement Paris
Inva­ders “Dr. House” – Pixel­kunst mit Humor am pas­sen­den Ort

Kei­ne Fra­ge, das Street-Art-Pro­jekt im 13. Arron­dis­se­ment ist weit mehr als eine Ver­schö­ne­rungs­maß­nah­me für ein weni­ger tou­ris­ti­sches Vier­tel. Es ist ein Zeug­nis für die Kraft der Kunst im öffent­li­chen Raum, für kul­tu­rel­len Aus­tausch und für die Fähig­keit, urba­ne Land­schaf­ten in Kom­mu­ni­ka­ti­ons­flä­chen zu verwandeln.

Internationale Vielfalt: Weitere Künstler der Open-Air-Galerie

Die künst­le­ri­sche Band­brei­te die­ser inter­na­tio­na­len Open-Air-Gale­rie wird auch deut­lich am Werk des chi­le­ni­schen Künst­lers INTI, der 2016 mit “La Mad­re Secu­lar 2” eine säku­la­re Ver­si­on der Madon­na schuf, die statt reli­giö­ser Sym­bo­le Zei­chen der Wis­sen­schaft und des Skep­ti­zis­mus trägt: In ihrer Hand hält sie den Apfel New­tons, wäh­rend ihr Hals und ihre Hand­schu­he mit kos­mi­schen Sym­bo­len ver­ziert sind. Das Werk ist Teil einer Tri­lo­gie, die sich über Mar­seil­le, Paris und Lis­sa­bon erstreckt.

"La Madre Secular 2" vom chilenischen Künstler INTI: Monumentales Wandbild einer modernen Madonna mit kosmischen Symbolen in Paris 13
“La Mad­re Secu­lar 2” – Moder­ne Madon­na von INTI

Der bri­ti­sche Künst­ler Hush berei­chert die Open-Air-Gale­rie mit sei­nem fas­zi­nie­ren­den Frau­en­por­trät, das öst­li­che und west­li­che Kunst­tra­di­tio­nen ver­eint. Sein Stil kom­bi­niert tra­di­tio­nel­le asia­ti­sche Ästhe­tik mit Ele­men­ten der west­li­chen Pop Art und des Action Pain­ting. Die mar­kan­ten roten Lip­pen und die geschlos­se­nen Augen der dar­ge­stell­ten Frau wer­den durch geo­me­tri­sche Mus­ter und leuch­ten­de Farb­kon­tras­te in ihrer Klei­dung ergänzt – ein visu­ell rei­ches Werk, das Hushs kul­tur­über­grei­fen­den künst­le­ri­schen Ansatz widerspiegelt.

Stilisiertes Frauenporträt mit asiatischen Einflüssen vom Künstler Hush mit kontrastierenden Farben und Mustern in Paris 13
Hushs kul­tu­rel­le Fusi­on – Ost trifft West im Street-Art-Format

Mit einer kraft­vol­len Bot­schaft zur Situa­ti­on in sei­ner Hei­mat trägt auch der ukrai­ni­sche Künst­ler Volo­dym­yr Manz­hos, bekannt als Wao­ne (Teil des Duos Inte­res­ni Kaz­ki), zur Viel­falt des urba­nen Muse­ums bei. Sei­ne sym­bol­rei­che Dar­stel­lung eines Man­nes, der mit einem Glo­bus inter­agiert, ver­bin­det folk­lo­ris­ti­sche Ele­men­te mit moder­nem Sur­rea­lis­mus. Die bun­ten Buch­sta­ben am Bild­rand for­men das ukrai­ni­sche Wort für “Sieg” (перемога) und set­zen ein Zei­chen für Frie­den und Ver­stän­di­gung im Kon­text des rus­si­schen Angriffs­kriegs gegen die Ukraine.

Surrealistisches Wandgemälde von Waone (Interesni Kazki) mit Junge, Erdglobus und symbolischer Darstellung zum Ukraine-Krieg in Paris 13
Wao­nes Frie­dens­bot­schaft – Ukrai­ni­sche Sym­bo­lik in sur­rea­ler Bildsprache

Nicht weni­ger beein­dru­ckend ist Jor­ge Rodri­guez-Gera­das foto­rea­lis­ti­sches Por­trät von Phil­ip­pe Pinel, dem “Vater der moder­nen Psych­ia­trie” – das Werk ist pas­sen­der­wei­se an der nach Pinel benann­ten Stra­ße zu fin­den. Beau Stan­ton wie­der­um reagiert mit sei­nem Werk “Cani­cu­le” (Hit­ze­wel­le) künst­le­risch auf die teil­wei­se extre­men Tem­pe­ra­tu­ren der letz­ten Jah­re: Son­nen­blu­men und ein blau­es, schmel­zend wir­ken­des Gesicht prä­gen sei­ne Komposition.

Realistisches Porträt von Philippe Pinel vom Künstler Jorge Rodriguez-Gerada an einer Hochhausfassade am Place Pinel in Paris 13
Hom­mage an Phil­ip­pe Pinel, Vater der moder­nen Psychiatrie

Entdeckungsreise abseits der Pariser Touristenpfade

Die durch­dach­te Plat­zie­rung sämt­li­cher Wer­ke – oft mit direk­tem Bezug zu ihrem Stand­ort oder aktu­el­len gesell­schaft­li­chen The­men – macht die Erkun­dung der Open-Air-Gale­rie zu einer viel­schich­ti­gen Erfah­rung, die weit über die blo­ße Betrach­tung hin­aus­geht. Für Besu­cher, die das “ande­re Paris” ken­nen­ler­nen möch­ten, bie­tet eine Street-Art-Tour im 13. Arron­dis­se­ment daher eine will­kom­me­ne Alter­na­ti­ve zu den über­lau­fe­nen Sehens­wür­dig­kei­ten der fran­zö­si­schen Metropole.

"Canicule" von Beau Stanton: Wandgemälde mit Sonnenblumen und blauem Gesicht als Kommentar zur Hitzewelle in Paris 13
“Cani­cu­le” – Beau Stan­tons künst­le­ri­sche Reak­ti­on auf die Hitzewelle

Die Ent­de­ckung der Murals wird regel­recht zur Schatz­su­che, bei der immer wie­der über­ra­schen­de neue Kunst­wer­ke zwi­schen den Häu­ser­blocks auf­ge­spürt wer­den. Es lohnt sich, auch in Sei­ten­stra­ßen abzu­bie­gen und vor allem den Blick regel­mä­ßig nach oben zu rich­ten – befin­den sich die meis­ten Wer­ke doch in luf­ti­ger Höhe. Und: Es emp­fiehlt sich, etwas Zeit mit­zu­brin­gen. Ich selbst habe näm­lich nur etwa die Hälf­te der Kunst­wer­ke auf mei­ner Tour ent­deckt; die schreit daher nach Wie­der­ho­lung, um auch den Rest des Open-Air-Muse­ums aus­fin­dig zu machen. Irgend­wann jeden­falls, denn dies­mal ist nicht genug Zeit – Paris ist groß und es gibt ein­fach zu viel zu unternehmen.

Abschließende Hinweise

Tipps und weiterführende Quellen

Anrei­se und Route:

  • Metro: Place d’I­ta­lie (Lini­en 5, 6, 7) oder Natio­na­le (Linie 6)
  • Emp­foh­le­ne Rou­te: Von Place d’I­ta­lie dem Bou­le­vard Vin­cent Auri­ol in Rich­tung Sei­ne folgen
  • Alter­na­ti­ve: Fahrt mit der Metro­li­nie 6 (Hoch­bahn ent­lang des Bou­le­vard Vin­cent Auri­ol) für einen ers­ten Überblick

Zeit­be­darf: 2–3 Stun­den, je nach Erkun­dungs­um­fang der Seitenstraßen

Insi­der-Tipp: Kom­bi­na­ti­on des Besuchs mit einem Abste­cher ins benach­bar­te Vier­tel But­te aux Cail­les – dort sind wei­te­re Street-Art-Wer­ke zu fin­den, vor­wie­gend in klei­ne­ren For­ma­ten, außer­dem dörf­li­cher Charme mit Kopf­stein­pflas­ter, bun­ten Häu­sern und gemüt­li­chen Cafés.

Wei­ter­füh­ren­de Links:

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Autor, Reisereporter und Reiseblogger. Nachdem man ihn dazu gebracht hat, seine vorherige berufliche Karriere zu beenden (um das böse Wort Mobbing zu vermeiden), treibt ihn die Neugier hinaus in die Welt und er erzählt Geschichten von unterwegs.

2 Kommentare zu “Open-Air-Galerie im 13. Stadtbezirk von Paris: Street Art im XXL-Format

  1. Wow, bin wirk­lich begeis­tert, das ist mal ne rich­tig tol­le Samm­lung von beein­dru­cken­der Street-Art mit tol­len Fotos! Muss ich mir unbe­dingt book­mar­ken und die Tour mal nach­lau­fen, wenn ich wie­der in Paris bin. In ande­ren Städ­ten wie Lon­don gibt’s ja auch viel zu sehen, an Paris hab ich bis­lang gar nicht so gedacht.
    Die­ses ana­mo­r­phe Kin­der­mo­tiv von Seth und das rie­si­ge von Inva­der (den kenn ich als er mal Mün­chen unsi­cher gemacht hat) muss ich unbe­dingt mal in echt sehen.
    Rich­tig tol­ler Arti­kel und dan­ke für die Rou­ten­tipps am Ende!

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