Der Abhang ist steil und glitschig, lästige Egel sorgen für blutige Fußgelenke, doch die Belohnung ist außergewöhnlich: Im Sinharaja Forest lassen sich einige der seltensten Vogelarten der Welt beobachten – wenn man bereit ist, einige Strapazen auf sich zu nehmen. Eine Expedition in Sri Lankas letztes großes Regenwaldgebiet.
Inhalte
- 1 Im Reich der endemischen Arten
- 2 Die Ceylon-Zwergohreule: Ein Mythos wird sichtbar
- 3 Ceylonfroschmaul: Meister der Tarnung
- 4 Endemische Vielfalt im Sinharaja Forest
- 5 Farbenprächtige Entdeckungen
- 6 Weitere bemerkenswerte Sichtungen
- 7 Fazit: Lohn der Mühen
- 8 Praktische Tipps für den Sinharaja Forest
- 9 In eigener Sache
Im Reich der endemischen Arten
Der Sinharaja Forest im Südwesten Sri Lankas ist mehr als nur ein weiterer Nationalpark – er ist ein Relikt vergangener Zeiten. Als einer der letzten zusammenhängenden tropischen Regenwälder der Insel beherbergt das UNESCO-Weltnaturerbe eine Artenvielfalt, die ihresgleichen sucht. Etwa 60 Prozent der hier heimischen Baumarten kommen ausschließlich in Sri Lanka vor, ebenso wie zahlreiche Vogelarten, die Ornithologen aus aller Welt anlocken.

Die frühen Morgenstunden sind ideal für Vogelbeobachtungen – nicht nur in Sri Lanka. Als ich gemeinsam mit Thilak, meinem lokalen Guide, die ersten Wege am Waldrand erkunde, wird schnell klar, dass ohne seine Ortskenntnis die meisten Vögel verborgen blieben. Sein geschultes Auge erspäht Bewegungen im dichten Blätterdach, die ich allein ganz sicher nicht bemerkt hätte. “Endemic bird” heißt es schon bei einigen der ersten Entdeckungen – ein Ausruf, an den ich mich für den Rest des Tages gewöhnen sollte.

Tatsächlich ist die Peripherie des Waldes oft ergiebiger als das Innere des Dschungels. Hier, wo Lichtungen auf dichtes Unterholz treffen, wo kleine Farmen an den Urwald grenzen, finden sich die besten Beobachtungsplätze. Die Strategie geht auf: Bereits in den ersten Stunden gelingen Aufnahmen von Arten, die zu den Raritäten der sri-lankischen Vogelwelt zählen.
Die Ceylon-Zwergohreule: Ein Mythos wird sichtbar
Die Exkursion wird zu einer fotografischen Herausforderung der besonderen Art. Der Abhang ist steil und rutschig, feuchter Fels und Matsch erschweren jeden Schritt. Ein kleines Rinnsal bahnt sich seinen Weg durch das Terrain; das ist zu durchqueren, während ich mühsam nach Halt suche. Zweige und Äste müssen erst auf ihre Verlässlichkeit geprüft werden, bevor ich danach greifen kann.

Dann sind wir am Ziel, Thilak hält plötzlich inne und zeigt mit dem Finger in das dichte Unterholz. Dort, gut versteckt zwischen den Ästen, sitzt sie: eine Ceylon-Zwergohreule, eine der seltensten Vogelarten der Welt. Erst im Jahr 2001 wurde diese endemische Spezies aus dem Sinharaja Forest wissenschaftlich beschrieben; BirdLife International schätzt den Bestand auf gerade einmal 200 bis 250 Exemplare.

Beim Fotografieren findet die Tortur noch einmal eine Fortsetzung. Auf dem rutschigen Untergrund eine ruhige Hand zu behalten, während die kleine Eule nahezu komplett versteckt zwischen den Blättern sitzt, erfordert Geduld und Ausdauer. Ein Foto des ganzen Tieres ist ohnehin unmöglich – nur der charakteristische Kopf mit den markanten “Ohren” lässt sich einigermaßen erfassen. Ich muss mich strecken, rutsche immer wieder weg – noch nie zuvor habe ich mich für ein Foto mehr angestrengt als hier mitten im dichten Regenwald. Nasse Füße, müde Beine und zerkratzte Arme sind das Resultat der Begegnung, als die Bilder irgendwann endlich im Kasten sind.

Ceylonfroschmaul: Meister der Tarnung
Die nächste Aufgabe lässt nicht lange auf sich warten: ein Ceylonfroschmaul-Pärchen, das Thilak tief im Dschungel ausgemacht hat. Diese nachtaktiven Vögel sind Meister der Tarnung und in Südindien sowie Sri Lanka heimisch. Deutlich zeigt das Paar die unterschiedlichen Geschlechtsmerkmale – das Weibchen in rötlich-braunen Tönen, das Männchen eher grau gefärbt.

Der Weg zu ihrem Versteck ist diesmal zwar etwas weniger beschwerlich, dafür erweist sich das Fotografieren zunächst als schier unmöglich. Der Spalt zwischen Zweigen und Blättern ist viel zu schmal für eine vernünftige Aufnahme. Immer wieder versuche ich mein Glück, verändere den Winkel, hoffe auf eine kleine Bewegung der Vögel, die mir eine bessere Perspektive ermöglichen könnte. Als ich bereits ans Aufgeben denke, gelingt schließlich doch noch das erhoffte Bild.

Endemische Vielfalt im Sinharaja Forest
Der Tag bringt weitere ornithologische Höhepunkte hervor. Ein Nacktstirnkuckuck aus der Familie der Kuckucke präsentiert sich mit seinem charakteristischen roten Gesicht und dem kontrastreichen schwarzen Gefieder. Auch diese Art ist ausschließlich in Sri Lanka zu finden und zählt zu den auffälligeren Vertretern der endemischen Vogelwelt.

Nicht minder spektakulär ist die Begegnung mit einem Ceylon-Grautoko, einem Vertreter der Nashornvögel. Sein imposanter Schnabel und das graue Gefieder machen ihn zu einem der markantesten Vögel des Regenwaldes. Auch ein Vertreter der Reptilienwelt lässt sich zwischen den gefiederten Protagonisten blicken: eine Sägerückenagame; ihre leuchtend grüne Färbung und die charakteristischen Rückenstacheln machen sie zu einem ebenso fotogenen wie interessanten Motiv.

Farbenprächtige Entdeckungen
Ebenfalls bemerkenswert ist die Sichtung des Schmuckkitta (Urocissa ornata). Diese endemische Art präsentiert sich in einem atemberaubenden Federkleid aus leuchtendem Blau und kräftigem Rot – ein Spektakel, das an die Bienenfresser von South Luangwa erinnert; in Sambias Savannen wartet eine ganz andere, aber ebenso beeindruckende Farbpalette der Vogelwelt. Der lange Schwanz der Schmuckkittas und ihre elegante Haltung machen die Rabenvögel zu einem der prächtigsten Bewohner des Waldes. Sie sind aber auch einer der am meisten bedrohten: Obwohl relativ häufig anzutreffen, stufen Naturschutzorganisationen die Art als “gefährdet” ein, da große Teile ihres ursprünglichen Lebensraums auf Sri Lanka bereits zerstört wurden.

Ein Ceylondrossling mit seinem charakteristischen orangefarbenen Schnabel zeigt sich als weiterer Vertreter der endemischen Vogelwelt. Diese geselligen Häherlinge sind für ihre lauten, kommunikativen Rufe bekannt und durchstreifen das Unterholz des Regenwaldes auf der Suche nach Insekten und Früchten.

Weitere bemerkenswerte Sichtungen
Nicht alle gesichteten Arten sind Endemiten. Ein Asiatischer Paradiesschnäpper beeindruckt mit seinen eleganten, weißen Schwanzfedern, die bei den Männchen während der Brutzeit besonders ausgeprägt sind. Ob es sich um einen Wintergast aus dem nördlichen Asien oder um die einheimische Ceylon-Unterart handelt, lässt sich jedoch kaum unterscheiden.

Erfreulich ist auch die Sichtung einer Graukappen-Glanztaube mit ihren charakteristisch grün schimmernden Flügeln. Diese regional in Süd- und Südostasien verbreitete Art zeigt, dass der Sinharaja Forest nicht nur endemische Spezies beherbergt, sondern auch als wichtiger Lebensraum für andere bemerkenswerte Vogelarten fungiert.

Aber auch das Spektrum der endemischen Sichtungen ist noch nicht erschöpft. Weitere solcher Begegnungen (Hinweis: Abbildung erfolgt an unterschiedlichen Stellen dieser Reportage) bereichern die Exkursion. Der Ceylonkuckuck zeigt sich mit seinem typischen grünlich-elfenbeinfarbenen Schnabel, während der Goldstirn-Bartvogel mit seinem leuchtend türkis-gelben Kopfgefieder besticht. Ein Rotrückenspecht am Baumstamm demonstriert die Vielfalt der endemischen Spechtarten, während es sich beim Ceylonhuhn um den offiziellen Nationalvogel Sri Lankas handelt. Die Ceylondrosseln – ein Altvogel mit seinem Jungvogel – gewähren zudem seltene Einblicke in das Familienleben dieser endemischen Drosselart.

Zwischen den gefiederten Akteuren zeigt sich weiterhin ein Indien-Rotschnabelbülbül der Sri Lanka-Unterart (Hypsipetes ganeesa humii) am Waldboden. Diese regional verbreitete Spezies unterscheidet sich durch ihren kräftigeren Schnabel von den indischen Verwandten und ist mit dem charakteristischen dunklen Gefieder und leuchtend roten Schnabel ein markanter Bewohner der Bergregenwälder.
Fazit: Lohn der Mühen
Die Bilanz des Tages ist durchaus beeindruckend: Mit der Ceylon-Zwergohreule eine der seltensten Vogelarten der Welt, dazu ein hoher Anteil endemischer Spezies, die ausschließlich in Sri Lanka vorkommen. Jede Begegnung mit diesen gefiederten Raritäten ist ein besonderer Moment, jedes halbwegs gelungene Foto unter teilweise extremen Bedingungen ein Beweis dafür, dass sich Anstrengung und Ausdauer lohnen.

Der Sinharaja Forest bestätigt seinen Ruf als einzigartiges Refugium, in dem sich die Evolution in ihrer ganzen Pracht entfalten konnte. Hier leben Arten, die es nirgendwo sonst auf der Welt gibt, hier zeigt Sri Lanka seine biologische Vielfalt in konzentrierter Form – ähnlich faszinierende Beobachtungen ermöglicht auch die Vogelwelt an den Victoriafällen in Sambia mit ihrer eigenen Artenvielfalt.

Dreckige Schuhe und Kleidung, nasse Füße und Kratzer, das sind die Erinnerungen an diese Exkursion. Dazu die eigentlich vermeidbaren Spuren der Blutegel – “Leech Socks” waren frühmorgens leider nicht mehr aufzutreiben. Dabei waren wir streng genommen ja nur an der Peripherie des Waldes unterwegs, haben den offiziellen Eingang gemieden und uns an der Grenze zwischen Zivilisation und Wildnis bewegt. Doch wer könnte angesichts der geschilderten Strapazen allen Ernstes behaupten, ich sei gar nicht “richtig” im Regenwald gewesen?
Praktische Tipps für den Sinharaja Forest
Beste Reisezeit und Ausrüstung
Wer den Sinharaja Forest besuchen möchte: Die Trockenzeit von Dezember bis April ist ideal für die dortige Vogelbeobachtung – dann sind die Wege gut begehbar und die Sicht ist klar. Die Eingänge bei Kudawa und Deniyaya bieten unterschiedliche Perspektiven auf den Regenwald, wobei erfahrene lokale Guides unerlässlich sind für erfolgreiche Vogelsichtungen. Festes Schuhwerk, ein gutes Fernglas und Regenschutz sind unverzichtbar – “Leech Socks” nicht vergessen!
Weiterführende Quellen
Für detaillierte Informationen über die endemischen Vogelarten Sri Lankas empfehle ich die Website von BirdLife International, eine renommierte Quelle für Vogelkunde weltweit. Das Cornell Lab of Ornithology bietet umfassende Artenprofile und aktuelle Beobachtungsdaten aus dem Sinharaja Forest. Umfassende Reiseinformationen für Sri Lanka finden sich auf der offiziellen Seite der Sri Lanka Tourism Development Authority. Weitere wissenschaftliche Informationen zum UNESCO-Weltnaturerbe liefert die UNESCO World Heritage Centre Website.
In eigener Sache
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Bei den Blutegeln wäre ich raus – aber die Aussicht auf so tolle Fotomotive ist natürlich durchaus verlockend. Mit welchem Kamera-Equipment warst du denn unterwegs?
Hahaha … als Profi versorgt man sich natürlich rechtzeitig mit “Leech Socks”, dann hat man auch keine Probleme mit den lästigen Saugern. Ich gehe mit solchen Dingen jedoch meist etwas leichtfertig um, muss also auch mit den Konsequenzen leben! Kamera: Sony RX10 IV (mangels Platz für Monster-Objektive).
Die Zwergohreule! Ich bin schockverliebt!!! So tolle Bilder, danke dafür!
Ich danke Dir! Hätte die kleine Eule natürlich gern komplett abgelichtet, aber besser so als gar nicht …