Blick auf eine der verkehrsreichen Straßen von Lusaka, Sambia.
Sambia

Lusaka, (k)ein afrikanischer Moloch?

Lusa­ka dient den meis­ten Besu­chern Sam­bi­as als Start­punkt ihrer Rei­se. Für mich bedeu­te­te die Haupt­stadt zugleich die ers­te Erfah­rung auf dem afri­ka­ni­schen Kon­ti­nent über­haupt. Von über­ra­schen­den Ein­drü­cken ist zu berich­ten, etwa von kuli­na­ri­schen Erleb­nis­sen. Und auch von der No-Go-Area Chi­bo­lya, mit einem Besuch dort hat­te ich immer wie­der koket­tiert. Es gab jeden­falls gute Grün­de, län­ger in Lusa­ka zu blei­ben, als zunächst gedacht. 

In Marok­ko mag man es mir ver­zei­hen, wenn ich sage, ich war vor­her noch nie “rich­tig” in Afri­ka. Bevor ich in Lusa­ka gelan­det bin, der größ­ten Stadt Sam­bi­as, von eini­gen Quel­len auch als Moloch bezeich­net. Der Blick auf die Kar­te ver­rät den Unter­schied: hier das ara­bi­sche Marok­ko, im Nor­den in der Nähe zu Euro­pa gele­gen und dort Sam­bia, mit­ten­drin in Schwarz­fri­ka, zwi­schen Län­dern wie Ango­la, Bots­wa­na oder Namibia.

Gro­ße Wer­be­ta­feln an ver­kehrs­rei­chen Stra­ßen. Das ist der ers­te Ein­druck, als mich das Taxi am Abend vom Ken­neth Kaun­da Inter­na­tio­nal Air­port zu mei­ner Unter­kunft bringt. Das unper­sön­lich wir­ken­de Flair einer Groß­stadt, so wie in vie­len Län­dern der Welt. Im ers­ten Moment, noch ohne Blick hin­ter die Kulis­sen, nicht gera­de anzie­hend. Aber ich wer­de die Haupt­stadt ja ohne­hin bald wie­der ver­las­sen, um den Rest des Lan­des zu erkun­den. Das war die Idee.

Natwange Lusaka
Nat­wan­ge, Wohl­fühl­oa­se im ver­meint­li­chen Moloch Lusaka

Am nächs­ten Mor­gen, bei Tages­licht, ent­puppt sich mein Quar­tier Nat­wan­ge als wah­re Wohl­fühl­oa­se. Die Son­ne scheint über dem von Pal­men gesäum­ten Anwe­sen. Vögel zwit­schern und Geckos huschen vor­bei. Ist das ein Ort, den ich mög­lichst schnell hin­ter mir las­sen will? Ani­ta fragt, ob ich sie zum Ein­kau­fen beglei­te. Sie ist die gute See­le von Nat­wan­ge, Ani­ta managt die Herberge.

Lusaka Sambia
Stra­ßen­ver­kauf in Lusaka

Sprachenvielfalt und landestypisches Essen

Wir sit­zen im Wagen von Paul, dem Taxi­fah­rer ihres Ver­trau­ens. Wozu eigent­lich Geschäf­te auf­su­chen, scher­ze ich. An den Ver­kehrs­kno­ten­punk­ten lau­fen Män­ner geschäf­tig über die Fahr­bahn. Den Fah­rern hal­ten­der Autos bie­ten sie Obst, Klei­dungs­stü­cke, Spiel­zeug und vie­les mehr an. Den Kauf einer Kar­te von Sam­bia will mir einer der emsi­gen Ver­käu­fer schmack­haft machen. Ob er nicht eine von ganz Afri­ka habe, fra­ge ich lachend. Und sie­he da, selbst die hat der gute Mann im Sortiment.

New Soweto Market Lusaka
Sinn­voll: Auf dem New Sowe­to Mar­ket von Lusa­ka wer­den Gum­mi­stie­fel verliehen

In den Geschäf­ten, die wir auf­su­chen, spricht Ani­ta meist Eng­lisch mit ihren Lands­leu­ten. Ver­wun­dert fra­ge ich nach dem Hin­ter­grund und ler­ne, dass in Sam­bia 73 ver­schie­de­ne Spra­chen gespro­chen wer­den. Eng­lisch ist also die Brü­cke in die­ser unglaub­li­chen Viel­falt. Ani­ta selbst spricht 5 Spra­chen, Mbem­ba, Eng­lisch, Lam­ba, Nyan­ga und Senga.

Nsima
Nsi­ma, klas­si­sche Spei­se in Sam­bia, hier vegetarisch

Gleich mei­ne ers­te kuli­na­ri­sche Erfah­rung in Sam­bia mache ich mit Nsi­ma, dem klas­si­schen Gericht. Bei Nsi­ma han­delt es sich um um einen fes­ten Brei aus Mais­mehl, allein wür­de er wohl wie ein­ge­schla­fe­ne Füße schme­cken. Ent­schei­dend sind daher die wei­te­ren Bestand­tei­le der Mahl­zeit. Hähn­chen, Fleisch oder Fisch wer­den dazu gereicht. Oder nur Gemü­se als vege­ta­ri­sche Vari­an­te. Mit der rech­ten Hand formt man Klum­pen des Mais­breis, in deren Mit­te mit dem Dau­men eine Mul­de gedrückt wird. Damit wird alles wei­te­re auf­ge­nom­men. Der Brei ist Bei­la­ge und Bestecker­satz zugleich.

Rootz Lusaka
Kuli­na­ri­sche Über­ra­schun­gen, hier bei Rootz

Gegensätze in Lusaka

Man­da Hill ist eine der Shop­ping Malls, von denen es laut Ani­ta ins­ge­samt sechs oder sie­ben in Lusa­ka gibt. Mit einem Mix aus Restau­rants, Geschäf­ten und Super­märk­ten. Nur weni­ge hun­dert Meter von den Malls ent­fernt sind oft loka­le Märk­te zu fin­den. Vor allem für die Men­schen, die nicht in der bun­ten Welt moder­ner Ein­kaufs­zen­tren zu Hau­se sind. Etwa 1,5 Mil­lio­nen Ein­woh­ner hat die Haupt­stadt Sam­bi­as. Eher sind es mehr als weni­ger, schließ­lich kom­men lau­fend wei­te­re Men­schen hin­zu. Ange­zo­gen vom Vibe der Groß­stadt, auf der Suche nach Arbeit, beseelt vom Traum von einem bes­se­ren Leben.

New Soweto Market Lusaka
Ein­kauf auf dem New Sowe­to Mar­ket von Lusaka

John ist Eng­län­der, sei­ne Mut­ter stammt aus Sam­bia. Mit zwei ein­hei­mi­schen Ver­wand­ten ist er eben­falls Gast im Nat­wan­ge. Die drei neh­men mich mit auf einen abend­li­chen Streif­zug in die City. Unse­re ers­te Sta­ti­on, das Hor­se Shoe, über­rascht mit einer lecke­ren Spei­sen­aus­wahl und einem Sor­ti­ment süd­afri­ka­ni­scher Wei­ne. Geschmack­vol­les Ambi­en­te in Ver­bin­dung mit auf­merk­sa­mem Ser­vice machen den ver­blüf­fen­den Ein­druck kom­plett. So man­cher Gas­tro­nom in der fer­nen Hei­mat könn­te sich hier eine Schei­be abschnei­den. Nicht die ein­zi­ge der­art über­ra­schen­de Erfah­rung in Lusa­ka (wei­te­re Restau­rant-Tipps fin­den sich am Ende die­ses Artikels).

Matebeto Food Market Lusaka
Auf dem Mate­be­to Food Market

No-Go-Area Chibolya: Reiz des Verbotenen

Ob ich mit nach Chi­bo­lya kom­me. Wie bit­te? Sicher, ich hat­te mehr­fach gegen­über Ani­ta und Paul mit einem Besuch von Chi­bo­lya gelieb­äu­gelt. Dem Vier­tel von Lusa­ka, des­sen Name für Dro­gen, Raub und ande­re Delik­te steht. Selbst die Poli­zei traue sich dort kaum hin­ein, heißt es. Kein Ort also, an dem man als Wei­ßer etwas ver­lo­ren hat. Und schon gar nicht als Tou­rist. Und da soll­te ich nun hin? Eher scherz­haft hat­te ich damit doch bis­her koket­tiert. Und jeweils hef­ti­ge War­nun­gen von Ani­ta provoziert.

Dass Paul Fleisch ein­kau­fen will, erfah­re ich, als wir unter­wegs sind. Am Ziel unse­rer Fahrt ver­kau­fen sie Schwei­ne und Zie­gen. Leben­dig. Paul zieht es schnur­stracks zu den Zie­gen und ich schaue mich der­weil um. Ist das hier nun die­ses Chi­bo­lya? Paul ist schnell fer­tig. Aber wo sind sei­ne Ein­käu­fe? Er zeigt auf einen Mann, der eine Zie­ge hin­ter sich her schleift. Wir fol­gen ihm bis zu einem Holz­ge­rüst, unter dem etwa 10 Män­ner tätig sind. Hier wird eif­rig geschlach­tet, die Zie­gen wer­den mit dem Kopf nach unten auf­ge­hängt. Dann ein schnel­ler Schnitt durch die Keh­le, da wo auch ein Löwe oder ein ande­res Raub­tier anset­zen wür­de, und ruck­zuck wer­den Haut und Fell abge­zo­gen, die Inne­rei­en anschlie­ßend ent­fernt. Weni­ge Minu­ten spä­ter erhält Paul dann sein fri­sches Fleisch. Hand­lich in einer Plas­tik­tü­te verpackt.

Lusaka
Am Ran­de von Chi­bo­lya wird geschlachtet

Etwas Stress hat­te es zwi­schen­durch gege­ben. Die Leu­te mögen hier es nicht, wenn foto­gra­fiert wird. Ich hat­te mich schon dar­auf ein­ge­stellt, die Fotos wie­der zu löschen. Die auf­ge­reg­ten Gemü­ter lie­ßen sich jedoch beru­hi­gen. Zurück in Nat­wan­ge lacht mich Ani­ta aus. Wir sei­en doch gar nicht rich­tig in Chi­bo­lya gewe­sen, sagt sie. Tat­säch­lich befin­det sich der Schlacht­hof am Rand der No-Go-Area, zwi­schen Müll und Schlamm. Ich hat­te ledig­lich ein wenig geschnup­pert an dem ver­bo­te­nen Viertel.

Lusaka Sambia
Kin­der, irgend­wo auf der Stra­ße in Lusaka

Letzter Abend: Nsima und Nachtleben

Der letz­te Abend in Lusa­ka ist für mich ange­bro­chen. Im Broads gibt es noch ein­mal Nsi­ma. Und Paul ist hart­nä­ckig. Will mir anschlie­ßend das Nacht­le­ben von Lusa­ka noch etwas näher brin­gen. Ich bin müde, mei­ne Ein­wän­de kom­men trotz­dem eher halbherzig.

“You like my sexy body…” klingt es aus den Boxen, als wir den B.Club betre­ten. Gleich­zei­tig greift eine Frau­en­hand ziel­si­cher nach mir. “Doo la cadoo…” lau­tet der ein­gän­gi­ge Refrain des nächs­ten Lie­des. Was eines der Pär­chen dazu auf der Tanz­flä­che anstellt, wür­de woan­ders als Erre­gung öffent­li­chen Ärger­nis­ses geahn­det. “This is the B.Club, the place to be” ruft der DJ. So sieht das aus.

Paul ist der Mei­nung, dass zum Abschluss noch ein Abste­cher in den The Lounge Night Club sein müs­se. Auf ein letz­tes Bier in Lusa­ka für mich. Auch hier wird dies­mal getanzt. Am Abend zuvor hat­ten die meis­ten Gäs­te noch den FC Liver­pool bege­ju­belt, der Borus­sia Dort­mund im Vier­tel­fi­na­le der Fuß­ball Euro­pa League nie­der­ge­run­gen hatte.

Lusaka
Heroes Natio­nal Sta­di­um in Lusaka

Lusaka, eine Stadt, die nichts zu bieten hat?

In Lusa­ka kön­ne man nicht viel machen. Nur ein Muse­um gäbe es dort. So lau­ten man­che Aus­sa­gen über die Haupt­stadt Sam­bi­as. Ich hät­te noch län­ger blei­ben kön­nen, auch nach mei­nem Auf­ent­halt im South Luang­wa Natio­nal­park war ich ja noch ein­mal für ein paar Tage zurück­ge­kehrt. Gera­de Orte wie Lusa­ka sind gut geeig­net, um hin­ter die Kulis­sen eines Lan­des zu schau­en. Und für mich ist es immer ein gelun­ge­ner Start einer Rei­se, wenn ich mich von Anfang an wie zu Hau­se füh­le. So, wie im Nat­wan­ge in Lusa­ka. Typisch afri­ka­ni­sche Molo­che sind laut Afri­ka­ken­nern übri­gens Dar­essa­lam in Tan­sa­nia oder die ägyp­ti­sche Haupt­stadt Kai­ro. Lusa­ka gehört ganz sicher nicht dazu.

Lusaka: Infos & Tipps

Unter­kunft: Nat­wan­ge Back­pa­ckers, 6808 Kapu­ka Road, Olym­pia Extension.

Essen und Trin­ken: The Hor­se Shoe, Nangwe­nya Road. Rhapsody’s, Arca­des Shop­ping Cent­re, Gre­at East Road. Tas­te by Rootz, 6293 Kwacha Road. Mera­ki Cake Bar and Café, 26 Chaho­li Road. Broads, 213 Broads Road.

Nacht­le­ben: Bei B.Club und The Lounge Night Club scheint es sich um ech­te Geheim­tipps zu han­deln. Im Inter­net ist nichts zu den bei­den Clubs zu fin­den. Kei­ne Adres­se. Nichts. Es emp­fiehlt sich daher der Besuch mit einem Taxi­fah­rer des Ver­trau­ens. So wie ich es gemacht habe.

Autor, Reisereporter und Reiseblogger. Nachdem man ihn dazu gebracht hat, seine vorherige berufliche Karriere zu beenden (um das böse Wort Mobbing zu vermeiden), treibt ihn die Neugier hinaus in die Welt und er erzählt Geschichten von unterwegs.

2 Kommentare zu “Lusaka, (k)ein afrikanischer Moloch?

  1. Wirk­lich schö­ner Bei­trag, der in mei­nem Augen wun­der­bar das eigent­li­che Flair der Stadt wider­spie­gelt – ehr­lich, afri­ka­nisch und nicht tou­ris­tisch “ver­saut”. Vor allem die freund­li­chen Men­schen haben mich, trotz der Armut, beein­druckt. Die Stadt ist auf den zwei­ten Blick schön.

    • Dan­ke für das net­te Feed­back, Chris! 😉 Wozu schrei­be ich eigent­lich so einen lan­gen Arti­kel über Lusa­ka, wenn man das auch so tref­fend zusam­men­fas­sen kann? 😀

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