Fidel Castro. Gemälde, gesehen in Guantánamo.
Kuba

Kuba | Der Tag, als Fidel Castro starb

Fidel Cas­tro wur­de in der Pro­vinz Hol­guín gebo­ren, im Ori­en­te, dem Osten Kubas, wo sich spä­ter auch der Fun­ke der kuba­ni­schen Revo­lu­ti­on ent­zün­de­te. Der Zufall will es, dass ich am Todes­tag Fidels in Hol­guín, Haupt­stadt der gleich­na­mi­gen Pro­vinz, bin. Beob­ach­tun­gen und Hin­ter­grün­de zum Tod des kuba­ni­schen Revo­lu­ti­ons­füh­rers, ergänzt durch ein Gespräch mit einer aus­ge­wie­se­nen Kuba­ken­ne­rin: über den Mythos Fidel Castro .

Es dau­ert etwas, bis der Gro­schen fällt. Ich hat­te mir ein Buca­ne­ro zum Essen bestellt, eine der Bier­sor­ten, die hier aus der Gegend stam­men. Aus Hol­guín, so wie Fidel Cas­tro. Dass es heu­te kei­nen Alko­hol gibt, ver­ste­he ich, nicht jedoch den Hin­ter­grund. Es ist jemand gestor­ben, erklärt mir die Kell­ne­rin im Restau­rante Avilés, aber mir ist nicht sofort klar, um wen es sich han­delt. Lari­za spricht von “unse­rem Coman­dan­te“ und noch immer raf­fe ich es nicht und bit­te sie schließ­lich, den Namen zu nen­nen. Sie sagt Fidel Cas­tro, und plötz­lich ist alles klar!

Foto von Fidel Castro in Holguín
Foto von Fidel Cas­tro in Hol­guín am Tag nach sei­nem Tod

Der Comandante en Jefe ist tot

Im Zusam­men­hang mit Fidel Cas­tro war mir die Bezeich­nung bis­her nicht geläu­fig. Denn als Coman­dan­te wird der all­ge­gen­wär­ti­ge Che Gue­va­ra ja oft bezeich­net. Der jedoch ist lan­ge tot, hin­ge­rich­tet 1967 in Boli­vi­en. Auch Cami­lo Cien­fue­gos, noch einer aus der Rie­ge der Bar­tu­dos, der bär­ti­gen Rebel­len, nen­nen sie Coman­dan­te. Der ist eben­falls längst Geschich­te, hart­nä­ckig hal­ten sich gar Gerüch­te, Fidel Cas­tro habe sei­ne Hän­de im Spiel gehabt, als Cami­lo 1959 bei einem Flug­zeug­ab­sturz vor der Küs­te nahe Cama­güey ums Leben kam. Ich ler­ne, dass Coman­dan­te en Jefe der Titel Fidel Cas­tros als Kom­man­deur der kuba­ni­schen Rebel­len­ar­mee war. Und wer­de es jetzt ganz sicher nicht mehr vergessen.

Figuren der Revolutionäre Che Guevara und andere in Holguín
Erin­ne­rung an Che Gue­va­ra und ande­re Revo­lu­tio­nä­re in Holguín

Am 26. Juli 1953 hat­te Fidel Cas­tro in Sant­ia­go de Cuba ver­sucht, den Cuar­tel Mon­ca­da zu stür­men, eine der größ­ten Kaser­nen des Lan­des. Ein ers­ter Ver­such der Auf­leh­nung gegen das Régime des Dik­ta­tors Ful­gen­cio Batis­ta, der jedoch kläg­lich schei­ter­te. Den­noch ist die­se Akti­on als Beginn der kuba­ni­schen Revo­lu­ti­on anzu­se­hen, es ent­stand die Bewe­gung des 26. Juli oder kurz M‑26–7, benannt nach dem Datum die­ses Ereig­nis­ses. Im Gegen­satz zu etli­chen Mit­strei­tern konn­te Fidel damals der Hin­rich­tung ent­ge­hen, die Geschich­te hät­te ansons­ten wohl eine kom­plett ande­re Wen­dung erfahren.

Fahne der Bewegung des 26. Juli, M-26-7
Sel­te­nes Bild in Hol­guín: Fah­ne der Bewe­gung des 26. Juli nach Fidels Tod

Der 26. Juli ist inzwi­schen kuba­ni­scher Natio­nal­fei­er­tag, 2017 wird ihn Fidel erst­mals nicht erle­ben. Fidel Cas­tro ist am Abend des 25. Novem­ber 2016 im Alter von 90 Jah­ren gestor­ben. Auf den Tag genau 60 Jah­re, nach­dem er an Bord der Yacht Gran­ma aus Mexi­ko auf­brach, um Kuba, letzt­end­lich dann auch erfolg­reich, vom Dik­ta­tor Batis­ta zu befrei­en. Wahr­lich eine per­fek­te Dramaturgie.

Bild der Granma, Yacht von Fidel Castro
Ein Bild in Guan­tá­na­mo: die Yacht Gran­ma, mit der Fidel Cas­tro aus Mexi­ko kam

Reaktionen auf Castros Tod

Am Sams­tag, einen Tag nach dem Tod Fidels, deu­tet wenig auf das trau­ri­ge Ereig­nis hin. Spon­ta­ne Trau­er­kund­ge­bun­gen oder Ver­samm­lun­gen? Fehl­an­zei­ge. Die Leu­te in Hol­guín sind fröh­lich und machen das, was sie am Wochen­en­de immer tun. Sie sit­zen im Park und plau­dern oder spie­len Schach. Und sie essen Eis, das lie­ben die Kuba­ner. Gleich­gül­tig­keit als Reak­ti­on auf den Tod des Man­nes, der Kuba fast ein hal­bes Jahr­hun­dert lang sei­nen Stem­pel auf­ge­drückt hat?

Schachspieler in Holguín
Schach spie­len­de Kuba­ner am Tag nach dem Tod Fidel Castros

Alko­hol darf öffent­lich nicht aus­ge­schenkt wer­den, so man­che Fla­sche Rum kreist trotz­dem, mehr oder weni­ger heim­lich. Und was hin­ter ver­schlos­se­nen Türen geschieht, steht ohne­hin auf einem ande­ren Blatt. Am Sonn­tag­abend hän­gen sie Bil­der Fidel Cas­tros in öffent­li­chen Gebäu­den und staat­li­chen Läden auf. Zudem mar­schiert eine Putz­ko­lon­ne in Hol­guín auf, die Stra­ße rund um den zen­tra­len Par­que Calix­to Gar­cía wird gerei­nigt. Und dem Gebäu­de der Casa de Cul­tu­ra dort wird auf die Schnel­le gar ein neu­er Anstrich ver­passt. Vor­be­rei­tun­gen für eine der Trau­er­ver­an­stal­tun­gen, die ab Mon­tag über­all in Kuba statt­fin­den werden.

Auf dem Weg zur Trauerkundgebung für Fidel Castro in Holguín
Auf dem Weg zur Trau­er­kund­ge­bung für Fidel Cas­tro in Holguín

Staatlich verordnete Trauer

Als ich am Mon­tag­mor­gen unter­wegs zum Bus­bahn­hof bin, kommt mir eine Men­schen­men­ge ent­ge­gen. Vor­weg eini­ge Älte­re, ansons­ten haupt­säch­lich jun­ge Leu­te mit Fah­nen, Trans­pa­ren­ten und Fotos. Es geht zum frisch geputz­ten Par­que Calix­to Gar­cía. Staat­lich ver­ord­ne­te Trau­er statt Schu­le, Uni­ver­si­tät oder Arbeit. Das kuba­ni­sche Fern­se­hen berich­tet in den nächs­ten Tagen rund um die Uhr. Über­all im Land glei­chen sich die Bil­der, ob in Havan­na, Mat­anz­as oder Sant­ia­go de Cuba. Der Groß­teil der Bevöl­ke­rung jedoch geht schein­bar unbe­ein­druckt dem nor­ma­len Leben nach, so wirkt es. Zunächst in Hol­guín, anschlie­ßend in Moa und spä­ter in Guan­tá­na­mo, wo ich mich in die­sen Tagen aufhalte.

Holguín. Auf dem Weg zur Trauerveranstaltung für Fidel Castro
Am Mon­tag nach Fidel Cas­tros Tod auf der Stra­ße in Holguín

Wer sind die Men­schen, die um Fidel wei­nen? Wem nimmt man die Trau­er ab? Den jun­gen Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten, die vor lau­fen­der Kame­ra einen mono­to­nen Ser­mon ins Mikro­fon her­un­ter­lei­ern dür­fen, der sicher nicht nur klingt wie aus­wen­dig gelernt? Der Smart­phone-Gene­ra­ti­on, deren Ver­tre­ter mit Mobil­te­le­fo­nen und Lap­tops in Parks und Fuss­gän­ger­zo­nen sit­zen, wo es seit letz­tem Jahr zwar teu­res, aber immer­hin öffent­lich zugäng­li­ches WiFi gibt? Inter­net, das in Kuba tat­säch­lich noch Neu­land ist. Den Nutz­nie­ßern des “neu­en kuba­ni­schen Kapi­ta­lis­mus”, also etwa den Betrei­bern von Casas Par­ti­cu­la­res, pri­va­ten Unter­künf­ten, oder Restau­rants? Ganz sicher nicht trau­ern wer­den Mil­lio­nen von Exil­ku­ba­nern, die vor dem Cas­tro-Régime geflo­hen sind. Im Gegen­teil, im Inter­net kur­sie­ren Bil­der fei­ern­der Men­schen auf den Stra­ßen von Miami.

WiFi-Hotspot in Holguín
Am WiFi-Hot­spot in Hol­guín: eine trau­ern­de Generation?

Abends sit­ze ich neben mei­nem Gast­ge­ber auf der Veran­da. Im Schau­kel­stuhl, so wie es die Kuba­ner gern tun. Wir pfei­fen das Lied von Che Gue­va­ra, einen Ohr­wurm, der mich durch Kuba beglei­tet. Ich fra­ge nach der Bedeu­tung von Che für die Kuba­ner. Die Hand mei­nes Gast­ge­bers geht zum Her­zen und sei­ne Augen leuch­ten. Muss er mehr sagen? Und was ist mit Fidel? Wie ist der ein­zu­ord­nen? Eine knap­pe Ges­te deu­tet an, dass bei­de wohl etwa gleich­be­deu­tend sei­en. Die Augen leuch­ten dabei nicht mehr. Und eine Hand wird auch nicht zum Her­zen geführt.

Ende der Staatstrauer

Der letz­te Akt der Fei­er­lich­kei­ten fin­det in Sant­ia­go de Cuba statt, nicht in Havan­na. In Sant­ia­go hat Fidel stu­diert und dort hat er, vom Bal­kon des Rat­hau­ses aus, am 02. Janu­ar 1959 den Sieg der Revo­lu­ti­on aus­ge­ru­fen. Und hier, in der ehe­ma­li­gen Haupt­stadt, wird die Asche Fidels anschlie­ßend auch bei­gesetzt. Ich hat­te kurz über­legt, nach Sant­ia­go de Cuba zu fah­ren, um dem Ereig­nis bei­zu­woh­nen und die Stim­mung dort ein­zu­fan­gen, mich dann aber doch dage­gen entschieden.

Fidel Castro, Rathaus in Santiago de Cuba
Sant­ia­go de Cuba: vom Bal­kon des Rat­haus ver­kün­de­te Fidel Cas­tro den Sieg

Am nächs­ten Mor­gen ste­hen in der Bar, an der ich jeden Tag vor­bei­kom­me, wie­der Bier­do­sen auf dem Tisch. So, als wäre nichts gesche­hen. Nicht nur in Moa, im gan­zen Land wird nach 9 Tagen nun offi­zi­ell wie­der getrun­ken. Und auch Musik wird wie­der gespielt, aller­dings noch mit Ein­schrän­kun­gen, wie ich erfah­ren sollte.

Langsame Rückkehr zum Alltag

Eine Woche nach Ende der Staats­trau­er bin ich in Guan­tá­na­mo. In der Casa de la Tro­va tanzt das vor­wie­gend älte­re Publi­kum zur Musik, die gespielt wird. Fla­schen mit Rum ste­hen auf den Tischen. Eine gelös­te Atmo­sphä­re. Und Hand auf´s Herz, wer kann sich Kuba auch ohne Musik vor­stel­len? Und ohne Rum?

Tanzende Kubaner in der Casa de la Trova in Guantánamo
In der Casa de la Tro­va in Guantánamo

Spä­ter in der Casa del Son und der Casa del Chan­güí heißt es jedoch, dass erst im Janu­ar wie­der Musik­ver­an­stal­tun­gen statt­fin­den. Ganz ist die staat­lich ver­ord­ne­te Trau­er also doch noch nicht vor­bei. Tra­di­tio­nel­le Musik darf öffent­lich wie­der gespielt wer­den, nicht jedoch die fröh­li­chen Klän­ge von Son oder Reg­gae­ton. Auch nach sei­nem Tod lässt Fidel den Kuba­nern also nicht die Frei­heit, die er ihnen immer ver­sprach, jedoch nie gab. Noch immer dür­fen sie nicht selbst ent­schei­den, was sie tun.

Fidel Castros Vermächtnis

Der Sozia­lis­mus hat in Kuba längst aus­ge­dient, im Grun­de hat er ja ohne­hin nie funk­tio­niert. Bereits seit den Neun­zi­ger­jah­ren strö­men Tou­ris­ten nach Kuba und brin­gen Devi­sen ins Land. Pri­vi­le­giert sind daher vor allem die, die im Tou­ris­mus tätig sind. Längst hat der Kapi­ta­lis­mus Ein­zug gehal­ten in Kuba. Casas Par­ti­cu­la­res, die pri­va­ten Unter­künf­te, und Pal­a­da­res, pri­vat­wirt­schaft­li­che Restau­rants, besche­ren ihren Betrei­bern teil­wei­se statt­li­che Ein­künf­te. Auch ver­schie­de­ne wei­te­re Dienst­leis­tun­gen dür­fen pri­vat ange­bo­ten wer­den. Und sogar die Ver­äu­ße­rung von Immo­bi­li­en ist inzwi­schen erlaubt. Die Fol­ge? Die Sche­re zwi­schen arm und reich klafft immer wei­ter aus­ein­an­der. Ihren Nach­fol­gern wer­den die alten Rebel­len um die Cas­tro-Brü­der, auch Raúl ist ja bereits 85, wahr­lich kein leich­tes Erbe hinterlassen.

Fidel Castro, Zeitungen nach seinem Tod
Die Zei­tun­gen in Kuba ken­nen in den Tagen nach Fidels Tod nur ein Thema

Ein wenig wird es wohl noch brau­chen, um Fidels Rol­le end­gül­tig ein­zu­ord­nen, wäh­rend eini­ge das bereits tun. Die deut­sche Bun­des­re­gie­rung schickt einen Ex-Kanz­ler zur Beer­di­gung, ist in der Bewer­tung Fidels Lebens­leis­tung jedoch sach­lich kri­tisch, wäh­rend der künf­ti­ge US-Prä­si­dent in Rich­tung Cas­tro pöbelt, der noch nicht ein­mal unter der Erde liegt. Aber diplo­ma­ti­sches Fin­ger­spit­zen­ge­fühl wird von dem Mann wohl genau so wenig zu erwar­ten sein wie die Fort­set­zung eines Kur­ses der Annä­he­rung bei­der Län­der, begon­nen von Raúl Cas­tro und Barack Obama.

Bild Fidel Castros und kubanische Fahne nach dem Tod des Revolutionsführers
Geden­ken an Fidel Cas­tro vor einem öffent­li­chem Gebäu­de in Holguín

Che Gue­va­ra ist 50 Jah­re nach sei­nem Tod über­all prä­sent, ist in den Her­zen vie­ler Men­schen. Ob man das von Cas­tro in einem hal­ben Jahr­hun­dert auch sagen wird? Wird er den Kuba­nern als der muti­ge Rebell, der sein Land befreit hat und der tol­le Idea­le von Gleich­heit und Brü­der­lich­keit im Kopf hat­te, in Erin­ne­rung blei­ben? Oder als stu­rer alter Mann, der die Augen vor den  The­men der Zukunft ver­schlos­sen hat? Der sein Volk ein­ge­sperrt und bespit­zelt hat. Zu einem taugt Fidel jeden­falls nicht. Zu einem Pop­star der Revo­lu­ti­on wie sein ehe­ma­li­ger Com­pa­ñe­ro Che Gue­va­ra. Und das wie­der­um wird ganz sicher auch im Sin­ne des toten Coman­dan­te en Jefe sein.

Kubakennerin Eleonora Kratochwill
Kuba­ken­ne­rin Eleo­no­ra Kra­toch­will aus Wien

“Für mich ist Kuba wie ein gutes Buch …”

Eleo­no­ra Kra­toch­will reist seit mehr als 15 Jah­ren nach Kuba. Zwei­mal im Jahr ist die Wie­ne­rin meist vor Ort, um dem Tanz zu frö­nen, Freund­schaf­ten zu knüp­fen und die Men­schen und ihr Leben zu beob­ach­ten. Letzt­end­lich ent­stan­den aus der Lie­be zum Land auch fami­liä­re Ban­de, die der Öster­rei­che­rin noch mehr Ein­blick in den kuba­ni­schen All­tag ermög­lich­ten. Ich habe Eleo­no­ra zum Mythos Fidel Cas­tro befragt.

Gleichheit, Bildung und Gesundheitswesen

Eleo­no­ra, wofür stand Fidel Cas­tro, was war sein Ziel?

Fidel Cas­tro hat vor mehr als einem hal­ben Jahr­hun­dert eine Revo­lu­ti­on ange­führt, die ein Volk aus den Fän­gen von Groß­grund­be­sit­zern, Kapi­ta­lis­ten und von dem Druck der USA befrei­en soll­te. Es wur­de für glei­che Lebens­um­stän­de gekämpft und Bil­dung sowie Gesund­heits­we­sen wur­den flä­chen­de­ckend ein­ge­führt. Glei­che Löh­ne sowie Uni­for­men in der Schu­le soll­ten Klas­sen­un­ter­schie­de im Keim ersti­cken und ratio­nier­te Grund­nah­rungs­mit­tel sowie beson­de­re Zuwei­sun­gen für Kin­der und Alte waren eben­falls vom Staat erhält­lich, genau wie kos­ten­güns­ti­ge Woh­nun­gen und Energieversorgung.

Wie haben die Men­schen in Kuba die Ideen Fidels begleitet?

In einem Insel­staat, der abge­schirmt vom Rest der Welt dafür kämpf­te, dass jeder das Mini­mum zum Leben bekommt, sah man zunächst kei­ne Not­wen­dig­keit, die­se guten Vor­sät­ze anzu­zwei­feln. Jedoch liegt es in der Natur des Men­schen, sich zu ent­wi­ckeln und nach mehr zu stre­ben. Ein Volk, das mehr als 50 Jah­re kämpf­te und Opfer brach­te, fing an zu hin­ter­fra­gen, wofür.

Klassenunterschiede und Korruption

Was ist an Fidels Ideen zu kritisieren?

Letzt­lich muss man fest­stel­len, dass es sehr wohl Klas­sen­un­ter­schie­de gibt und der Groß­teil des Vol­kes mit sei­nem legal ver­dien­ten Lohn nicht den All­tag bewäl­ti­gen kann. Man fragt sich, wie es pas­sie­ren konn­te, dass ein so klei­ner Insel­staat zuvor in allen mög­li­chen Berei­chen, etwa Tech­nik und Inno­va­ti­on, an der Welt­spit­ze stand und nun in Rui­nen zer­fällt. Dass das Volk nicht zur Selb­stän­dig­keit erzo­gen wur­de, son­dern in Abhän­gig­keit von einer Ideo­lo­gie resi­gniert. Kor­rup­ti­on ist ins Land geschli­chen, die Poli­zei ist mit Will­kür hin­ter den Leu­ten her und ver­haf­tet selbst bei harm­lo­sen Ver­däch­ti­gun­gen. Delin­quen­ten sind dann dazu ver­ur­teilt, ihre Unschuld bewei­sen zu müs­sen. Das hat nichts mit den Vor­stel­lun­gen von Unschulds­ver­mu­tung, so wie wir sie ken­nen, zu tun und wer kann sich im Zwei­fel den Kampf gegen das Régime leisten?

Fidel Cas­tro, der Visio­när für sozia­le Gerech­tig­keit, also nichts ande­res als sein Vor­gän­ger Batis­ta, ein Diktator?

Wenn ich als Lea­der eines Lan­des mer­ke, dass Men­schen unter Lebens­ge­fahr aus mei­nem Land flie­hen,  oder ich Anders­den­ken­de nicht frei ihre Mei­nung sagen las­se, son­dern sie wie Ver­rä­ter behand­le und ins Gefäng­nis ste­cke, wenn ich in der Ver­gan­gen­heit lebe und nicht der all­ge­mei­nen Ver­än­de­rung ins Auge sehe, dann ist man ver­sucht, von Dik­ta­tur zu spre­chen. Einer Dik­ta­tur, die von einer huma­nen Idee träum­te, jedoch in zum Teil inhu­ma­ne Zustän­de schlitterte.

Bei allen from­men Wün­schen, ein Sys­tem zu schaf­fen, das sich nicht nur an Kapi­tal und Wachs­tum ori­en­tiert, ist über­se­hen wor­den, dass all die Medi­ka­men­te, die hier erfun­den wur­den, kaum in den kuba­ni­schen Kran­ken­häu­sern zum Ein­satz kom­men und auch in den Apo­the­ken so gut wie nir­gends erhält­lich sind. Es ist über­se­hen wor­den, dass das Volk zwar ohne Kos­ten stu­die­ren darf, doch was dann, wenn die­se Men­schen zum Geld­ver­die­nen gebraucht werden?

Kuba ist wie ein gutes Buch

Was wird jetzt aus dem Erbe Fidels?

Ich wünsch­te, dass sich der sozia­le Grund­ge­dan­ke ent­wi­ckeln könn­te und in die­sem Sinn hat Fidel etwas durch­aus Posi­ti­ves im Sinn gehabt. Die­se posi­ti­ven Ideen mit dem Töten von Men­schen in Ver­bin­dung zu sehen, denn auch das hat die­se Revo­lu­ti­on mit sich gebracht, ver­ur­sacht mir Schmer­zen. Trotz allem und viel­leicht gera­de des­we­gen lie­be ich Kuba und sei­ne Men­schen, ich sehe ihr Leid und auch ihre Lebens­freu­de und Ener­gie. Was aus dem Erbe Fidels wird, steht mei­ner Mei­nung nach in den Ster­nen. Sehr wohl ist er bereits in die Geschich­te ein­ge­gan­gen, ob man jedoch in der Zukunft gern an ihn den­ken wird, kann uns nur die nächs­te Gene­ra­ti­on beantworten.

Für mich ist Kuba jeden­falls wie ein gutes Buch, das ich abends gern auf­schla­ge, um mich auf ande­re Gedan­ken zu brin­gen. Man­che Kapi­tel sind zum Lachen und ande­re zum Nach­den­ken oder Inne­hal­ten. Die Men­schen sind es, die mich fas­zi­nie­ren. Sie schei­nen aus­weg­los gefan­gen unter der Herr­schaft eines Dik­ta­tors und wir­ken trotz­dem so frei …

Autor, Reisereporter und Reiseblogger. Nachdem man ihn dazu gebracht hat, seine vorherige berufliche Karriere zu beenden (um das böse Wort Mobbing zu vermeiden), treibt ihn die Neugier hinaus in die Welt und er erzählt Geschichten von unterwegs.

2 Kommentare zu “Kuba | Der Tag, als Fidel Castro starb

  1. Dan­ke für die­sen lan­gen Bericht. Sowas liest man ja sel­ten in Rei­se­blogs, wo es oft nur kurz um Sehens­wür­dig­kei­ten geht. Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen! Ich bin gespannt auf das Land (Erst­kon­takt erfolgt in einem Monat), aller­dings ist mein Spa­nisch zu rudi­men­tär, als dass ich tie­fe­re Gesprä­che über die Öko­no­mie dort füh­ren könnte. 

    Etwa wie die Eigen­tums­ver­hält­nis­se aus­se­hen und wie ehe­mals sozia­lis­ti­sche Woh­nun­gen pri­va­ti­siert wer­den. Und wie etwa die Casa Par­ti­cu­lar-Ein­nah­men ver­steu­ert wer­den. Und was pas­siert, wenn ein Teil der Bevöl­ke­rung auf ein­mal sehr hohe Ein­nah­men hat im Unter­schied zum Rest.

    • Wolfgang

      Gern, Chris. 😉 Und naja, woll­te ich über Sehens­wür­dig­kei­ten berich­ten, wür­de ich wohl eher einen Rei­se­füh­rer empfehlen … 😀
      Mit dem Spa­nisch schnei­dest Du einen wun­den Punkt bei mir an, das neh­me ich mir auch schon lan­ge vor und es wird Zeit, das end­lich zu ver­tie­fen! Da die Leu­te in Kuba aber sehr auf­ge­schlos­sen sind, klappt es auch so halb­wegs mit der Ver­stän­di­gung. Eini­ge spre­chen zudem Eng­lisch und man­chen Älte­re sogar Deutsch. Die waren zu Arbeits­zwe­cken damals in der DDR und haben da flei­ßig gelernt … Dann viel Spaß beim hin­ter-die-Kulis­sen-schau­en, Du hast da ja schon ein paar inter­es­san­te The­men angeschnitten …

      LG, Wolf­gang

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